Lastmanagement – Strom verbrauchen, wenn er billig ist

Wenn die Sonne scheint, der Wind kräftig weht oder nachts um zwei wird der Strom oft so richtig billig. Klevere Firmen lieben diese Preistäler. Denn das sogenannte Lastmanagement senkt massiv die Kosten. Auch von Privaten.

Lastmanagement Frische Brise und reichlich Sonne sorgen für Preistäler mit billigem Strom (neurolle - Rolf/Pixelio.de)

Lastmanagement Frische Brise und reichlich Sonne sorgen für Preistäler mit billigem Strom (neurolle – Rolf/Pixelio.de)

Frosta aus Bremerhaven macht es vor. Wenn’s an der Küste so richtig pustet oder wenn die Sonne kräftig knallt, laufen die Kühlmaschinen auf Hochtouren. 18 Grad minus ist zwar die Norm. Aber wenn der Strom gerade günstig ist, weil sich die Windräder drehen oder die Sonnenpaneele beschienen werden, scheren sich die Frosta-Manager darum einen Dreck. Denn die Fischstäbchen stört es nicht, wenn sie auf minus 38 Grad herunter gekühlt werden, statt nur auf die vorgeschriebene Höchstemperatur von 18 Grad. Die Kostenkiller des Lebensmittel-Riesen freuen sich dagegen über den günstig eingekauften Strom. Lastmanagement nennen Energie-Experten diesen Trick.

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Denn wenn die Ware einmal auf 38 Grad herunter gekühlt ist, könnte der Tiefkühlkost-Produzent theoretisch die Kühlung eine Woche ausstellen. Wenn der Strom teuer wird, schaltet sich die Kühlung nur dann ein, wenn die Höchsttemperatur erreicht wird. Das Kühlhaus dient also als Spardose und Energiespeicher. Nicht nur Kühlhäuser profitieren davon. Träge Verbraucher, die ihren Stromverbrauch zeitlich verschieben oder gar kurz unterbrechen können, neben Kühlhäusern auch Aluminiumwerke, Chemieanlagen oder Elektrostahlhersteller, senken so ihre Stromrechnung.

Rechnen kann warten

Ebenso Rechenzentren sind als virtuelle Stromspeicher geeignet. Denn die Zentren sind in der Regel nur zum Teil ausgelastet und die Operationen sind längst nicht immer zeitkritisch. Folglich können energieintensive Prozesse auf Zeiten verschoben werden, in denen der Strom billig ist – zum Beispiel nachts. Fachleute halten es für möglich, dass Deutschlands Rechenzentren schon bald Lastenverschiebungen von mehreren Dutzend Gigawatt leisten.

Inzwischen machen manche Untenehmen aus der Lastenverschiebung ein Nebengeschäft. Schon vor Jahren startete der Alumium-Hersteller Trimet eine Virtuelle Batterie mit 120 Öfen in seiner Essener Aluhütte. Dort können bis zu 48 Stunden mal ein Drittel mehr oder mal ein Drittel weniger Strom abgenommen werden. Bis zu 2000 Megawattstunden Strom können vorübergend gespart werden. Das entspricht der Leistung von zwei mittelgroßen Pumpspeichern.

Billig abschalten statt teuer bauen

Pumpspeicher, in denen Wasser während verbrauchsarmer Zeiten Wasser hochgepumpt wird, damit es während der Zeiten mit hohem Stromverbrauch wieder abwärts fließen und dabei Turbinen anteiben kann, sind jedoch teuer. So kostete das Pumpspeicherwerk Nant de Drance in den Schweizer Hochalpen rund zwei Milliarden Euro. Strom aus solchen Pumpspeicherwerken kann bis zu zwölf Cent pro Kilowatt kosten. Steuern, Transport und Vertriebskosten kommen noch dazu. Zum Vergleich: Strom aus Wind- wie aus Solaranlagen gibt es in Deutschland zu vier Cent.

Teurer noch ist das Puffern von Verbrauchspitzen durch die Umwandlung von grünem Wasserstoff in Strom. Dieser Strom kommt je nach Wetter und Standort auf zehn bis zwanzig Cent. Der teuerste Strom für die Verbrauchsspitzen kommt jedoch von Kraftwerken, die nur für diese Zeiten bereit gehalten werden. Der Strom aus diesen Kpazitäten kostet zehn Euro pro Kilowattstunde.

Dank Lastverschiebung sind solche Kraftwerke ebenso wie die Pumpspeicherwerke oder Wasserstoffspeicher tendenziell überflüssig. Denn Trimet kann zum Beispiel, wenn es im Netz kritisch wird, den Strom bis zu einer Stunde so gut wie ganz einsparen. Allein im Jahr 2019 haben die Netzbetreiber bei Trimet 31-mal den Stecker gezogen, um das Netz zu stabilisieren. Trimet ist Großverbraucher. Der Essener Alukocher braucht ebenso viel Strom wie die ihn umgebende Stadt. Der Beitrag von Trimet zu Netzstabilität entspricht dem Verbrauch von 700 000 Haushalten, die in einem kritischen Augenblick auf das Einschalten ihrer Kaffemaschine verzichten.

Auch Private können Lastmanagement

Nicht nur Versorger können dadurch erhebliche Kosten einsparen. Denn auch Netzbetreiber müssen ihre Netze überdimensioniert auslegen, damit in den Spitzenzeiten Kabel und Trafo-Stationen nicht heißlaufen. Übers Jahr sind die Netze im Schnitt nur zwischen 30 und 40 Prozent ausgelastet. Anders gesagt: Bis zu zwei Drittel der Investitionen in Hochspannungsmasten, -leitungen und Trafo-Anlagen könnten theoretisch eingespart werden.

Die so ermöglichten Milliarden-Einsparungen in Netz-, Kraftwerk- und Speicherausbau lassen sich Unternehmen wie Trimet selbstredend vergüten. Zwar beklagt die Industrie, dass die Höhe der Netzgentgelte in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig Anreize böten. Doch wie das Beispiel Frosta zeigt, lohnt sich kluges Lastmanagement allein durch die damit verbundene Senkung der Stromrechnung.

Übrigens: Auch Private können von den Stompreistälern profitieren. Dienstleister wie aWattar oder Tibber bieten heute schon Tarife an, die sich nach den Stundenpreisen der Leipziger Strombörse orientieren. Mit intelligenten Hausnetzen können die Kunden die großen Verbräuche in die Zeiten verschieben, in denen der Strom billig ist – und der Preis teilweise unter Null fällt. Besonders E-Autonutzer, die nachts laden, profitieren davon. Ganz nebenbei stabilisieren sie mit ihrem kontrazyklischen Verbrauch auch das Netz. Sie verhindern so Dunkelflauten und fördern die Energiewende. Was will man mehr?

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