Ewigkeitskosten im Ruhrpott – Tote Schächte und Stollen beleben die Wärmewende

Die Hohlräume abgesoffener Pütts verursachen im Ruhrpott die sogenannten Ewigkeitskosten und nicht selten Erdeinbrüche. Jetzt will eine findige Ingenieurin sie als wohlfeile Wärmespeicher nutzen.

Stillgelegtes Bergwerk Ewiger Nutzen statt Ewigkeitskosten (Foto: Schnitzler)
Stillgelegtes Bergwerk Ewiger Nutzen statt Ewigkeitskosten (Foto: Schnitzler)

Die Hohlräume alter Bergwerke verursachen Jahr für Jahr 300 Millionen Euro an sogenannten Ewigkeitskosten. Würden im Ruhrgebiet nicht 200 Pumpen Tag und Nacht die Gruben entwässern, wäre die Stadtlandschaft zwischen Emscher und Ruhr schon bald ein See. Denn hundert Jahre Bergbau hinterließen unter den Städten ein Hohlraumgewirr wie in einem Schweizer Käse. Infolge sanken die Ruhrstädte ab – bis zu 25 Meter. Die Innenstadt von Essen liegt heute 16 Meter tiefer als vor Beginn des Bergbaus. Und immer wieder kommt es zur Rissbildung in Mauern, manchmal gar zu Erdeinbrüchen.

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Doch nun sind eine Fraunhofer-Ingenieurin und ihr Team dabei, aus dem Fluch des Ruhrpotts einen Segen zu machen. Denn bisher wurden die alten Schächte und Stollen so gut wie nie genutzt. Jetzt sollen die Hohlräume eines abgesoffenen Pütts als Wärmespeicher dienen. Das Fraunhofer-IEG-Team hat eine Solarthermieanlage, Bergwerksstollen und -schächte und Großwärmepumpen zu einer Anlage zusammengefügt. In diesem Winter soll die Anlage erstmalig das Fernwärmenetz im Bochumer Süden unterstützen. Ingenieurin Arianna Passamonti: “Wir sind schon sehr gespannt, die Anlage im realen Betrieb der ersten Heizperiode zu sehen, und den Beweis anzutreten, dass Wärmepumpen die hohe Temperatur des Fernwärmenetzes zuverlässig erreicht.”

Altes Bergwerk als Wärmespeicher

Die Idee ist einfach. Im Sommer erwärmen die Solarthermie-Paneele Grubenasser aus einem seit über sechzig Jahren gefluteten Bergwerk auf 60 Grad Celsius. Die gefluteten alten Stollen und Schächte nehmen das warme Wasser auf und speichern es. In der kalten Jahreszeit dient das aufgewärmte Grubenwasser als Wärmequelle für die Großwärmepumpen. Die bringen die Wassertemperatur auf 120 Grad und führt die Energie dem Fernwärmenetz des Bochumer Südens zu.

Die Solarthermieanlage hat eine maximale Leistung von 60 Kilowatt. Im Volllastbetrieb soll sie jährlich 165 Megawattstunden Energie ins Grubenwasser einspeisen. Bei dem Bergwerk handelt es sich um eine vergleichweise kleine Grube, die nur kurz, zwischen 1953 und 1958, in Betrieb war. Der verbliebene Hohlraum befindet sich in einer Teufe zwischen 23 und 64 Metern. Er enthält heute 20 000 Kubikmete Grubenwasser. Computersimulationen hatten ergeben, dass sich die gefluteten Bereiche für Temperaturen von 60 Grad gut eignen. Das Bergwerk musste allerdings zuvor durch drei Bohrungen für das Projekt erschlossen werden.

Das Fernwärmenetz des Bochumer Südens hat eine Leistung von rund 115 Megawatt. Es enthält je nach Jahreszeit Heizwasser zwischen 80 Grad und 120 Grad und führt rund 60 Grad warmes Wasser an das Heizkraftwerk zurück.

Großwärmepumpen noch in den Anfängen

Die Großwärmepumpen sind so konstruiert, dass sie künftig auch Basiswärme aus anderen lokalen Abwärmequellen aufnehmen könnte. Der Markt für derartige Anlagen ist noch in Entwicklung. Die von Passamonti und ihrem Team entwickelte Anlage zeichnet sich durch ihre hohen Temperaturen bis 120 Grad und die hohe Leistung bis 500 Kilowatt aus. Sie wurde als zweistufige Anlage entwickelt. Im Niedertemperaturbereich nutzt sie Ammoniak und im Hochtemperaturbereich Butan als Arbeitsmedien.

Die kommenden Wochen und Monate sind die Feuerprobe für das Projekt. Die Anlage arbeitet künftig zwar vor allem als Teil des Fernwärmenetzes im Bochumer Süden. Doch soll es bei dem Projekt im Bochumer Süden nicht bleiben. Denn die Anlage ist auch Modellprojekt für den Einsatz von Großwärmepumpen mit hohen Temperaturen und für die Nutzung alter Bergwerke als Wärmespeicher – wie für die Einbeziehung von beliebigen Abwärmequellen durch vorhandene Fernwärmenetze.

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