Strompreise: Kommt nach der Normalisierung der Sturzflug nach unten?

Hohe Strompreise ade? Schon in drei, vier Jahren könnten die Preise so richtig runtergehen. Schuld an dem erwarteten Preissturz sind die Erneuerbaren. Sie werden den Strom billig wie nie liefern.

Windräder, Fossilkraftwerk Senken die Erneuerbaren die Strompreise? (ceus-design.de)
Windräder, Fossilkraftwerk Senken die Erneuerbaren die Strompreise? (ceus-design.de)

Das behauptet einer, der es wissen muss. Stefan Kapferer ist Chef des Netzbetreibers 50Hertz, der den Norden und Osten Deutschlands mit Strom versorgt. In seinem früheren Leben war er Staatsekretär (FDP), unter anderem im Bundeswirtschaftsministerium, und stellvertretender Generalsekretär der OECD in Paris. Von 2016 bis 2019 leitete er den Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft. Seine Erwartung: Je höher der Anteil der Erneuerbaren, desto stärker gehen die Strompreise nach unten.

ANZEIGE

Besonders heftig falle der Preissturz aus, wenn der Stromanteil aus nachhaltigen Stromquellen die Grenze von 90 Prozent erreiche. Dies passiert allerdings immer häufiger. Im Juli lag der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland bei 72 Prozent. Im Mai und Juni stammten über zwei Drittel des in Deutschland verbrauchten Stromvolumens aus nachhaltigen Quellen. Während des vergangenen Jahres kamen im Durchschnitt in jeder sechsten Stunde hundert Prozent des Stroms von erneuerbaren Energien. Zu solchen Zeiten sinkt der Preis für die Kilowattstunde auf unter 10 Cent.

Immer billiger

Tatsächlich sind die Erneuerbaren unschlagbar billig geworden. In den Ländern des Wüstengürtels existieren Solarparks, deren Strom nur einen Cent pro Kilowattstunde kostet. Aber selbst im sonnenarmen Deutschland kostet der Solarstrom nur noch rund vier Cent pro Kilowattstunde. Auch Windstrom gibt es ab etwa vier Cent. Damit kann Kohle- oder Atomstrom nicht mehr mithalten. Selbst wenn die Umwelt- und andere externe Kosten nicht berücksichtigt werden, sind die Gestehungskosten der klassischen Stromquellen deutlich teurer als die der Erneuerbaren. Und die Preise fallen weiter. Dem Finanznachrichtendienst Bloomberg zufolge sind die Kosten der Stromproduktion durch Solaranlagen seit 2014 in der Bundesrepublik auf etwas mehr als ein Viertel abgesunken. Ein Ende des Trends ist noch nicht zu erkennen.

Der Strom kann allerdings für die Verbraucher und Industrie nur dann durchgehend billig werden, wenn die Erneuerbaren eine verlässliche Versorgung sicherstellen. Kapferer zufolge wird dieses Ziel in drei oder vier Jahren erreicht. Sein Unternehmen 50Herz will bis 2032 an vier bis fünf von sechs Stunden einen Anteil von 100 Prozent an erneuerbaren Energien im Netz zu erreichen. Der Stromnetz-Boss sagte vor Tagen dazu der Neuen Osnabrücker Zeitung: “Das wird wirklich für ein ganz anderes Preisniveau sorgen und der ganzen Wirtschaft helfen. Kurzum: Den Erneuerbaren-Ausbau voranzutreiben ist das beste Unterstützungsprogramm für unsere Industrie.”

Preise wechseln stündlich

Die gewohnte Tarifstruktur wird, seiner Einschätzung nach, dann hinfällig. Die Stromkunden werden flexible Tarife buchen, die sich nach den Stundenpreisen der Leipziger Strombörse richten. Sie können damit auch von Negativpreisen profitieren. Diese kommen dann zustande, wenn die Sonne kräftig scheint oder der Wind stark weht, aber wenig Strom verbraucht wird. Wenn es den Kunden gelingt, ihre Verbräuche verstärkt auf solche Zeiten zu verschieben, könnten sie erhebliche Einsparungen machen – und gleichzeitig das Netz stabilisieren. Startups wie aWattar oder Tibber bieten heute schon entsprechende Tarife an.

Kapferer betonte, dass die Gefahr von Dunkelflauten durch den höheren Stromanteil von Erneuerbaren im Netz erheblich übertrieben werde. Mit dem Ausbau der Netze und der weiteren Integration der Strommärkte in Europa sinke die Gefahr jedoch erheblich. Außerdem ergänzten sich Wind- und Sonnenenergie im Jahresverlauf gut.

Neue Osnabrücker Zeitung; inside digital

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*