Meyer Werft: Bundesregierung knickt vor Banken und Disney ein – und fördert damit den Bau schlimmer Umweltschänder

Die geplante Verstaatlichung der klammen Meyer-Werft ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Denn damit knickt sie vor dem Disney-Konzern und den Banken ein – und fördert zugleich mit Steuergeldern eine der sozial- und umweltschädlichsten Formen des Tourismus. Ein Kommentar von Reinhold Böhmer.

Umweltschänder made by Meyer Werft:  Disney und Banken stärker als Bund und Land Niedersachsen (Foto:  art_of_pboesken / pixabay)
Umweltschänder made by Meyer Werft: Disney und Banken stärker als Bund und Land Niedersachsen (Foto:  art_of_pboesken / pixabay)

Vorhang auf für die Hauptdarsteller: Bundeskanzler Olaf Scholz und Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil. Die beiden Sozialdemokraten haben sich weiße Helme aufgesetzt, damit sie den Arbeitern ähneln, die sie in der Meyer-Werft in Papenburg in Niedersachsen erwarten. Ans Mikrofon tritt der Bundeskanzler. “Ihr”, duzt er die Malocher, “seid systemrelevant für die maritime Wirtschaft und den Schiffbau in Deutschland.” Applaus. Sodann zieht er einen gelben Helm auf und gibt sich ganz eins mit Arbeitern. Denn der Bund und das Land Niedersachsen wollen sich mit jeweils 200 Millionen Euro zu insgesamt 80 Prozent in die Meyer Werft einkaufen. Damit ist Scholz gemeinsam mit Weil bald der eigentliche Arbeitgeber, also ein echter Meyeraner. Die Werft sei ein “industrielles Kronjuwel für Deutschland”, sagt er denn auch, “und deshalb ist es wichtig, dass wir das als eine industrielle Kernkompetenz in Deutschland halten.” Mit 400 Millionen Euro aus Steuermitteln würden 3 000 Arbeitsplätze bei der Meyer Werft plus 14 000 bei Zulieferern und Dienstleistern gerettet.

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Zu viele Fragen des Deals sind offen

Das war’s. Die Inszenierung des Kanzlers und des Ministerpräsidenten in diesen Tagen als Freunde der Arbeiter ist zu Ende. Das Publikum außerhalb jedoch reibt sich die Augen und sieht betroffen den  Vorhang zu und viele Fragen offen. Ist der Bau von Kreuzfahrtschiffen, die für ihre Umweltschädlichkeit und die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen an Bord, wirklich ein “Kronjuwel für Deutschland”? Wieso haben eigentlich nicht die Banken der Meyer Werft das Geld geliehen? Warum ist der amerikanische Disney-Konzern, der bei der Werft bis 2031 acht Riesentanker bestellt hat und im vergangenen Jahr umgerechnet drei Milliarden Euro Gewinn machte, nicht eingesprungen? Wie konnte es überhaupt so weit kommen, hat das Management Möglichkeiten ausgelassen, die Notlage zu verhindern.

Verstaatlichung ist ein Armutszeugnis für die Ampel

Die Antwort auf all diese Fragen ist nicht einfach, zu wenig Details über die finanzielle Schieflage, wonach die Meyer Werft laut Presseberichten in Probleme bei der Bedienung ihrer Schulden schlittert, sind an die Öffentlichkeit gedrungen. Und trotzdem, das muss hier gesagt werden, lässt sich schon jetzt feststellen: Die Verstaatlichung der Meyer Werft ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung – sowohl in wirtschaftlicher als auch in umweltpolitischer Sicht.

Letztlich knickte die Bundesregierung vor Disney ein

Dass der Bund und nicht Großauftraggeber Disney bei der Meyer Werft einspringt, lässt sich nur durch eines erklären: Die Amerikaner, obwohl sie auf die Schiffe angewiesen sind, blieben offenkundig so hart, dass die Bundesregierung vor ihnen einknickte und nun die Steuerkasse plündert. In der deutschen Autoindustrie kam es durchaus schon vor, dass ein Hersteller einem klammen Zulieferer unter die Arme griff. Dies von Disney zu verlangen und durchzusetzen, dazu waren sowohl die Meyer Werft als auch der Bund allem Anschein nach zu schwach.

Bund traut Meyer Werft mehr als die Banken

Gleiches gilt für die Banken, die der Meyer Werft anscheinend nicht mehr trauen, weil sie sich während der Corona-Zeit die Stornierung von Aufträgen einhandelte. Weshalb der Bund und das Land Niedersachsen der Meyer Werft mehr trauen als die Kreditinstitute, erschließt sich nicht wirklich. Oder ist das Risiko doch so groß, dass die 400 Millionen Euro verloren gehen könnten und die Steuerzahler ihre Morgengabe abschreiben müssen?

Eigentümerfamilie gefordert

Die Verfechter des Kapitalismus beziehungsweise der Marktwirtschaft legitimieren die Profite der Unternehmer gern damit, das sie in schlechten Zeiten Verluste tragen müssten und im Extremfall sogar ihr ganzes Vermögen verlieren würden. Das heißt, dass die Unternehmer für ihr Tun und Lassen haften. Über die Eigentümerfamilie der Meyer-Werft wird gesagt, der größte Teil ihres Geldes stecke in der Firma. Unterstellt, dies stimmt, dann folgt daraus aber nicht, dass die Familie nicht trotzdem Geld locker machen könnte, um ihrem klammen Unternehmen zu helfen. Denn ihr gehören über eine in Luxemburg residierende Stiftung weitere Firmen, darunter die Neptun-Werft in Ostdeutschland, eine Werft in Turku in Finnland sowie Unternehmen aus dem Bereich Schiffsbau und schiffbau-nahe Dienstleistungen.

Staat als Steigbügelhalter?

Läge es da nicht näher, diese Firmen ganz oder teilweise zu verkaufen oder sie – falls nicht geschehen – als Pfand für Bankenkredite einzusetzen, statt 400 Millionen Euro vom Steuerzahler einzustreichen? Wer zehn Häuser besitzt, das Haupthaus aber nicht mehr abbezahlen kann, der muss eben ein, zwei Häuser verkaufen, um das Haupthaus behalten zu können. Oder er muss einen Investor finden, der bei ihm mitmischt, dafür allerdings auf einen Teil seiner Gewalt über die Firma verzichten. Hat die Familie Meyer das ausreichend versucht oder hilft ihr der Steuerzahler jetzt als Steigbügelhalter dabei, dass sie weiter alleiniger Herr im Hause ist?

Ungenügend Vorsorge gegen steigend Rohstoffpreise?

Ebenso viele Fragen wirft die Behauptung aus Unternehmenskreisen auf, steigende Rohstoffpreise seit Corona hätte zu der jetzigen Malaise geführt. Als ob es für solche Fälle keine Instrumente gäbe, etwa Sicherungsgeschäfte, sogenanntes Hedging, die Unternehmen vor explodierenden Rohstoffpreisen schützen. Natürlich kostet das Geld, es bewahrt aber vor finanziellen Problemen. Aus der klammen Situation, in der die Meyer Werft steckt, lässt sich nur folgern, dass das Management möglicherweise nicht ausreichend Vorsorge getroffen hat.

Kein Nein von den Grünen

Es bleibt abzuwarten, was zu all diesen Fragen in den nächsten Wochen noch an die Öffentlichkeit dringt. Anders ist dies bei der Frage, ob der Steuerzahler den Bau von Schiffen fördern soll, die für eine der umwelt- und sozialschädlichsten Form das Tourismus stehen. Hier hätte man von den Grünen, allen voran von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, ein Nein erwartet. Stattdessen kommt von dem Obergrünen und seine Parteifreunden dazu fast nur Schweigen. Aber vielleicht ändert sich das noch, wenn immer kritische Fragen das betroffene Zusehen des Publikums verdrängen.

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