Wasserstoff-Antrieb: Bosch geht bei einer vermeintlichen Zombie-Technologie ins Risiko

Wasserstoff-basierte Brennstoffzellen-Antriebe schafften bisher nie den Marktdurchbruch. Bosch steigt jetzt dennoch in die Serienfertigung ein.

Iveco-Sattelzugmaschine mit Brennstoffzellen-Antrieb: Erste Wasserstoff-Lkw für Europa
Neuartige Iveco-Sattelzugmaschine Erster Wasserstoff-betriebener Lkw für Europa Foto: Bosch

Vor gut einer Woche erst wagte die Thyssenkrupp-Tochter Nucera den Gang an die Frankfurter Börse. Und sammelte zum erfolgreichen Start mehr als 600 Millionen Euro ein. Jetzt riskiert mit Bosch eine weitere deutsche Industrie-Ikone eine Wette auf Wasserstoff (H2) als zentralem klimaneutralen Energieträger der Zukunft.

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Startschuss für den Wasserstoff-Antrieb in Stuttgart und China

Der Stuttgarter Stiftungskonzern startete im Stadteil Feuerbach die Serienfertigung eines Brennstoffzellen-Antriebs. Zeitgleich laufen auch im chinesischen Werk Chongqing die Produktionsbänder für das System an.

Der Schritt ist deshalb so bemerkenswert, weil die angebliche Wunderwerk-Technologie deutscher Ingenieurskunst seit ihrem Auftauchen vor 30 Jahren nie den Marktdurchbruch schaffte. Damals stellte Mercedes mit dem Necar 1 ein erstes Forschungs-Fahrzeug vor, in dem eine Brennstoffzelle aus der Aufspaltung von Wasserstoff Strom fürs Fahren gewinnt – emissionsfrei.

“Bosch kann Wasserstoff, und Bosch wächst mit Wasserstoff”

Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung

Jetzt sei die Zeit reif für die Technologie, zeigte sich Bosch-Chef Stefan Hartung auf dem diesjährigen Tech Day des Unternehmens betont optimistisch. „Bosch kann Wasserstoff, und Bosch wächst mit Wasserstoff.“

Pilot-Kunde für den Wasserstoff-Antrieb ist Nikola aus den USA

Für ihre Überzeugung investieren die Schwaben zwischen 2021 und 2026 fast 2,5 Milliarden Euro in die Entwicklung und Produktion ihrer H2-Technologien. Selbst gemessen an einem Jahresumsatz von zuletzt gut 88 Milliarden Euro kein Kleckerbetrag. Schon mehr als 3000 Beschäftigte verdienen ihr Geld in diesem Bereich. Bis 2030 sollen die Umsätze dort auf rund fünf Milliarden Euro klettern.

Montagestation für Wasserstoff-Antrieb im Werk Feuerbach - komplexes System aus mehreren hundert Einzelteilen
Montagestation für die Brennstoffzelle Komplexes System aus mehreren hundert Einzelteilen
Foto: Bosch

Pilotkunde für den Wasserstoff-Antrieb ist das US-Unternehmen Nikola. Es will ihn in seine elektrischen Trucks einbauen, die noch dieses Jahr an erste Kunden in Nordamerika gehen sollen. Der Ersteinsatz im Schwerlastverkehr ist kein Zufall. Weltweit üben Regierungen verstärkt Druck auf die Logistikbranche aus, Trucks mit sauberen Antrieben statt dreckigen Dieselmotoren auf die Straßen zu schicken.

Die Konkurrenz für Bosch ist groß

Hinzu kommt: Experten zufolge könnten Strafabgaben auf Diesel und der CO2-Zertifikatehandel im Verkehr grünen Wasserstoff in relativer naher Zukunft zur kostengünstigsten Brennstoffalternative für Lkw und Busse machen.

So steht Bosch auch nicht konkurrenzlos da. Der südkoreanische Mischkonzern Hyundai setzt Wasserstoff-Motoren bereits in Lkw wie auch Traktoren ein. In Deutschland hat das Augsburger Unternehmen Quantron für den US-Spediteur TMP Logistics einen Brennstoffzellen-Truck entwickelt, der nur alle knapp 1400 Kilometer eine Wasserstoff-Tankstelle ansteuern muss. Gleich 500 der Zugmaschinen hat TMP geordert.

Europa führend bei Wasserstoff-Patenten

In unmittelbarer Nachbarschaft produziert der Automobilzulieferer ElringKlinger Brennstoffzellen für Kreuzfahrtschiffe. Mahle, ebenfalls ein Zulieferer für die Autoindustrie, versorgt den Kölner Motorenbauer Deutz mit Komponenten für saubere Wasserstoff-Motoren. Sie sollen Traktoren, Baumaschinen und Lkw in Saubermänner verwandeln.

Die Ballung von Pionier-Unternehmen für den grünen Antrieb in Europa ist nicht ganz zufällig. Denn zumindest bei der Anmeldung von Wasserstoff-Patenten hat der alte Kontinent weltweit mal die Nase vorn. Ob der Vorsprung für den Aufbau eines starken neuen Industriezweigs genutzt werden kann, der krisensichere Arbeitsplätze bietet, hängt Bosch-Chef Hartung zufolge ganz entscheidend von der Politik ab.

Politik in der Pflicht

„Erstens müssen wir die H2-Erzeugung in der Europäischen Union forcieren, zweitens internationale Lieferketten etablieren und drittens Wasserstoff in allen Wirtschaftssektoren einsetzen“, nimmt Hartung Bundesregierung und EU-Kommission in die Pflicht. Zugleich sei es wichtig, betont er, dass in Europa schnell eine Infrastruktur zur Verteiling des Wasserstoffs entstehe.

Man darf gespannt sein, ob die Mahnungen dieses Mal gehört werden.

Mehr: Bosch SWR

Dieter Dürand

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