Offshore-Windparks auf Europas knappen Meeresflächen sorgen für Zoff

Ein Zehntel der Nordsee soll mit Windfarmen belegt werden. Vor allem die Fischer sehen dadurch ihre Fanggründe bedroht. Kann die Politik die Interessen von Naturschutz, Klimaschutz und Fischerei noch unter einen Hut bringen?

Windfarm auf dem Meer Knapper Grund führt zu Konflikten (David Will/Pixabay)

Der Platz für Windparks ist auf den beiden weitgehend landumschlossenen Meeren begrenzt. Die Nordsee verfügt nur über eine Fläche von 575 000 Quadratkilometer. Rund 60 000 davon sind mittelfristig bereits verplant. Von den lediglich 377 000 Quadratkilometern der Ostsee sollen rund 20 000 Quadratkilometer für Windanlagen bereit stehen. Heute beanspruchen die Windanlagen in der Nordsee erst 5 000 Quadratkilometer.

Ob es langfristig bei dem genannten Flächenbedarf bleibt, ist fraglich. Denn alle paar Jahre verschieben die Energiepolitiker die Planzahlen nach oben. Bis zum Dezember 2020 galt noch das Ausbauziel von 15 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Die Ampelparteien verdoppelten diese Zielgröße knapp ein Jahr später auf 30 Gigawatt. Bis 2045 soll dann die Kapazität sogar auf 75 Gigawatt steigen. Ähnlich entschlossen ging die EU-Kommission ans Werk: Sie kündigte bereits im November 2020 – allerdings für die gesamten Gewässer Europas – eine Ausweitung von 60 auf 300 Gigawatt an. Zum Vergleich: Zurzeit liefern die deutschen Windparks in Ost- und Nordsee 7,8 Gigawatt.

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Vieles sprach bislang für Offshore-Windparks. Der Wind weht auf See heftiger und etwa doppelt so häufig. Es gibt keine Anrainer, die gegen Schattenwurf und Infraschall protestieren. Doch nun hat ein Team um die Meeresforscherin Vanessa Stelzenmüller vom Bremerhavener Thünen-Instituts für Fischerei eine Untersuchung veröffentlicht, der zufolge der Flächenbedarf den bereits bestehenden Streit um Fischfanggründe noch verschärfen könnte.

Fischer bangen um Fanggebieten

Da in den meisten Windkraft-Arealen der Fischfang ganz oder weitgehend verboten ist, kommt es für die Branche zu oft erheblichen Verlusten von Fanggebieten. Die Forscher legten dazu die Daten der Fischfangaktivitäten und die Daten zu bestehenden und geplanten Windanlagen übereinander. So konnten sie die potentiellen Verluste für die Fischerei beziffern. Die Folgen beschränken sich nicht nur unmittelbar auf die Fischerei. Betroffen sind auch Unternehmen in der Fischverarbeitung an der Küste, Häfen und Hafenbetriebe, der Tourismus. Aber auch die alltägliche Lebenswelt an der Küste und das sozio-kulturelle Gefüge kommen unter Druck.

Nicht nur die Fischerei ist vom Platzbedarf der Offshore-Windkraft betroffen. Auch Seefahrt und Bundesmarine, Freizeitboote, Bohrinseln und Naturschutz beanspruchen Flächen. Stelzenmüller fordert deshalb eine maritime Raumplanung, die alle Interessengruppen einbezieht. Die bisherigen Raumplanungen hätten die Fischerei jedoch häufig vernachlässigt. Gerade im Interesse einer nachhaltigen Nutzung der Fischbestände müsse man den Fischern eine Chance im Konflikt um den knappen Meeresraum geben. Die Forscherin: „Ein vielversprechender Ansatz könnte eine Co-Nutzung von Offshore-Windparks sein. Speziell gestaltete Fundamentkonstruktionen könnten eine stationäre Aquakultur erlauben.” Ebenso könnten Fischer nach Abwägung von Nutzung und Schutz der Bestände mit Fangkörben oder Fischfallen arbeiten. Diese passive Fischerei stelle für die Anlagen keine Gefahr dar.

Schutzzonen sichern Bestände

Tatsächlich wirken sich Windanlagen nicht nur negativ auf die Fischerei aus. Für die Bestände sind sie eher günstig. So lassen Ergebnisse einer früheren Forschungsarbeit von Stelzenmüller die Vermutung zu, dass der Kabeljau sich in Windparks und deren Nähe wohl fühlt. Zum einen findet er dort Schutz vor Fischern. Zum anderen begünstigen die Fundamente die Ansiedlung von Tieren, die dem Räuber als Nahrung dienen. Auch Schweinswale, Robben und anderes Meeresgetier zieht das reichhaltige Nahrungsangebot im Umfeld von Offshore-Anlagen an, stellte der Husumer Biologe Georg Nehls fest. Vielfach sind die geschützten Windfarmen Kinderstube für zahlreiche Arten. Davon könnten auch Fischer profitieren – falls sie die Meeresressourcen nachhaltig nutzen wollen.

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