Aufstand gegen Siemens-Gamesa-Windpark in der Bucht von Saint-Brieuc

Das Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stromerzeugung kommt unter Druck. Eine Allianz von Fischern, Naturschützern, Gastronomen und Anrainern will die gigantische Anlage mit 62 Windrädern verhindern. Der Park wird zum Thema des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf.

Windpark im Meer Muschelfischer sind dagegen (fill/Pixabay)

Das Projekt ist zehn Jahre alt. Doch erst jetzt werden die ersten Windräder installiert. Etwa 16 Kilometer vor der bretonischen Küste sollen in den kommenden Monaten nach und nach 62 Windräder mit je acht Megawatt Spitzenleistung aufgestellt werden. Den Rotordurchmesser eingerechnet, reichen sie 207 Meter in den Himmel. Die Windräder stammen vom Siemens-Gamesa-Werk im normannischen Le Havre. Ihre Fundamente kommen aus dem bretonischen Brest. Das Vorhaben soll die schrittweise Teilabwendung der französischen Energieversorgung vom Atomstrom einleiten. Frühestens ab 2023 liefern die Anlagen Energie für 835 000 Menschen, stolze 1 820 Gigawatt im Jahr.

Aus dem Projekt wird möglicherweise nichts. Denn das Vorhaben wird von Teilen der bretonischen Bevölkerung abgelehnt. Die Front erinnert an die Bonnets rouges (Rothauben), eine kleinbürgerliche Massenbewegung. Die hatte im Herbst 2013 einen Aufstand gegen die die Öko-Maut für LKW in der Bretagne angezettelt. Mit der Zerstörung von Mautbrücken richtete sie Millionenschäden an. Die Öko-Reform wurde gestoppt.

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Die führende Tageszeitung des Landes, Le Monde, erinnerte noch vor wenigen Tagen daran und fragte weiter: „Kann aus dem Offshore-Park in der Saint-Brieuc-Bucht ein neues Notre-Dame-des-Landes werden?“ Das Flughafenprojekt Notre-Dames-des-Landes in der Nähe von Nantes wurde nach mehrjährigen heftigen Kämpfen mit Aktivisten vor drei Jahren – wie seinerzeit das Mautvorhaben – aufgegeben. Doch soweit wollen es die Politiker nicht kommen lassen. Noch im Mai hatte Staatspräsident Emmanuel Macron der Baustelle einen Besuch abgestattet und seine Unterstützung erklärt.

Feuerwerk von Klagen und Anzeigen

Speerspitze der Bewegung gegen den Windpark sind die Jakobsmuschel-Fischer. Sie behaupten, die Vibrationen und die Geräusche der Anlagen bedrohten die Muschelbestände. Die Projektgesellschaft, Ailes Maritimes, eine Beteiligung des spanischen Energieriesen Iberdrola, weist dagegen darauf hin, dass nur sechs Prozent der Fanggründe berührt seien. Der Rückgang der Produktion betrage höchstens 1,5 Prozent.

Die Fischer und ihre Verbündeten haben indes in den vergangenen Tagen ein Feuerwerk von Klagen vor verschiedenen Gerichten gestartet. Am 26. August erging eine Anzeige wegen „Zerstörung der biologischen Vielfalt“ in der Bucht bei der Staatsanwaltschaft Brest. Einen Tag später meldeten die Fischer beim Finanzgerichtshof angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Ausschreibung. Und für gestern kündigten die Naturschutzinitiativen wie SeaSheperd France und Gardez les Caps einen weiteren Einspruch beim obersten Verwaltungsgericht an. Es gehe, so Katherine Poujol von Gardez les Caps gegenüber dem Regionalblatt Le Télégramme, um die vorsätzliche Zerstörung des Lebensraums von 59 geschützten Arten. Bei Redaktionsschluss war der Eingang der Einspruchs noch nicht bestätigt.

Reichlich Besuch aus Paris

Seit der Visite des Staatspräsidenten hat sich der Schauplatz zum beliebten Besuchsort für französische Politiker gemausert. Im kommenden Mai sind Präsidentschaftswahlen. Die möglichen Kandidaten wetzen bereits die Klingen. So war der konservative Michel Barnier (Les Républicains), mehrfacher Ex-Minister, ehemaliger EU-Kommissar und Kandidat bei den innerparteilichen Vorwahlen, im Juni am Ort. Xavier Bertrand, parteilos und Chef der Region Hauts-de-France, ließ sich im Juli sehen. Und Valérie Pécresse, konservative Chefin der Kernregion Île-de-France und wie Barnier Kandidatin für die Vorwahlen zur Präsidentschaft, kam vergangene Woche vorbei.

Alle hörten sich die Sorgen der Fischer an. Die machen sich nun Hoffnungen auf das Ende des Projektes. „Ich habe Barnier, Bertrand und Pécresse getroffen“, sagt Alain Coudray, Sprecher der Fischer zu Le Monde, „dieser Park wird Teil der (Präsidenschafts-)Kampagne sein.“ Dass sie zu militanten Aktionen bereit sind, bewiesen die Fischer im Mai, als sie ein Arbeitsschiff mit ihren Booten umzingelten und die vorgeschriebene 500-Meter-Distanz immer wieder unterschritten.

Der Staatspräsident jedenfalls hat sich für den Fall der Fälle ein Hintertürchen offen gelassen. Den Journalisten des staatlichen Nachrichtensenders Franceinfo teilte er Ende Juli mit: Wenn ein Windprojekt zu viele Spannungen provoziere oder die Landschaft entstelle, müsse man halt „das Projekt anpassen oder darauf verzichten“.

Mehr: Le Monde

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