Müllplanet Erde – Bakterien fressen Plastik auf

Eine Gruppe von Kieler Wissenschaftlern will komplette Bakterienkolonien auf ihre Fähigkeiten zur Kunststoff-Zersetzung durchleuchten und durch Züchtung weiter ertüchtigen. Kann sie damit die Menschheit von der Plastikflut erlösen?

Bakterien Anpassungsfähige Biester (qimono/pixabay)

“Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch”, wusste schon der Dichter Friedrich Hölderlin vor über 200 Jahren. Moderne Bakterienforscher würden dem zustimmen. Denn je mehr Plastik in die Umwelt gelangt, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Winzlinge eines Tages Wege finden, die im Kunststoff enthaltene Energie zu gewinnen. Den Schaden hätte dabei der Plastikmüll: Er würde verschwinden.

Bakterien sind extrem anpassungsfähig, so der Ausgangspunkt eines Forscherteams des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sowie der dortigen Universität. Schon seit Jahrzehnten nutzen die Menschen Bakterien, um die Umwelt sauber zu halten. Überall in der Welt zerlegen Mikroorganismen organische Stoffe aus Abwässern in ihre Bestandteile. Fäkalien und Essensreste in der Kanalisation sind wie alle organischen Stoffe chemisch gesehen nichts anderes als Kohlenstoffketten. Nun nimmt aber die Menge des Mülls aus Kohlenstoffketten, auch Plastikmüll genannt, seit Jahrzehnten zu. Bakterien, die Plastik fressen, sind bislang jedoch noch nicht gefunden worden. Sie werden aber fieberhaft von Wissenschaftlern in aller Welt gesucht.

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Gemeinsam sind sie stark

Nun schlagen die Kieler Forscher in einer Veröffentlichung vor, ein weitgehend unterschätztes Verfahren zu nutzen, um geeignete Bakterien zu finden. „Es würde mehr Sinn ergeben, ganze Bakteriengemeinschaften auf ihre Fähigkeiten hin zu testen, anstatt einzelne Bakterienarten zu suchen, die Enzyme produzieren, mit denen sie Kunststoffe zerlegen können“, sagt der Hauptautor der Studie, Peter Deines vom GEOMAR. Deines und sein Team wollen komplette Bakterienökosysteme, die in der Natur mit Plastik konfrontiert sind, austesten und sie weiteren Plastikproben aussetzen. Sooft sich zeigt, dass diese fähig sind, Kunststoff zu zersetzen, wählen die Forscher sie für den nächsten Schritt aus.

Bei dieser Methode müsse man nicht vorher wissen, was genau gesucht werde, sondern sei völlig ergebnisoffen. Die Gefahr, Fähigkeiten zu übersehen, sei deutlich geringer. Denn ein Bakterium, das alleine nichts mit Plastik anfangen könne, trage in einer komplexen Gemeinschaft vielleicht doch entscheidend zu dessen Abbau bei. Die anschließende Auslese im Labor gäbe den mikrobiellen Gemeinschaften die Chance, ihre Fähigkeiten zum Plastikabbau im Laufe mehrerer Generationen zu verbessern. „Hier nutzen wir also einen Ansatz aus der Evolutionsbiologie“, sagt Deines.

Bei den bevorstehenden Labor-Arbeiten wollen sich die Kieler Mikrobiologen vor allem auf Bakterien-Kommunen aus dem Meer konzentrieren. Im Rahmen des vorlaufenden Projekts PLASTISEA haben die Wissenschaftler schon viele Proben aus dem zentralen Atlantik gewonnen. Diese nutzen sie jetzt, um sowohl auf klassischem Weg als auch mit der neuen Methode nach Möglichkeiten zu suchen, Plastik auf biologischem Weg abzubauen.

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