Schmerzmittel Diclofenac versaut Gewässer: EU will Geld von Pharma- und Kosmetikkonzernen für bessere Kläranlagen

Die EU will die Pharma- und Kosmetikkonzerne zur Kasse bitten, um die Kläranlagen zur Beseitigung deren Substanzen aus dem Abwasser aufzurüsten. Ganz vorn bei den Schadstoffen ist das bekannte Schmerzmittel Diclofenac. Und wie reagiert die Branche?

Behandlung von Sportverletzungen: Schmerzmittel Diclophenac überfordert Kläranlagen und gefährdet Gewässer (Foto: Angelo Esslinger / pixabay)

Knie gezerrt, Handgelenk verstaucht – wer hat da nicht schon einmal zu Voltaren gegriffen? Das Schmerzmittel stammt von dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline und gibt es unter dem Namen seines Wirkstoffs Diclophenac meist auch als preiswerteres Nachahmerpräparat, als sogenanntes Generikum. Doch neben der schmerzlindernden Wirkung hat Diclophenac auch einen schädlichen Effekt. Die Substanz, einmal ins Abwasser gelangt, überfordert die Kläranlagen und versaut deshalb Gewässer und Ökosysteme. Seinetwegen und wegen weiterer schädlicher Substanzen der Pharma- und Kosmetikindustrie will die EU-Kommission die Kläranlagen in den Mitgliedsstaaten nachrüsten lassen, damit derlei Stoffe künftig besser aus dem Abwasser geholt werden können. An den Nachrüstungskosten von jährlich rund 3,8 Milliarden Euro sollen sich mit einer Milliarde Euro die Hersteller beteiligen. Immerhin stammen von ihnen laut EU-Kommission 80 Prozent der problematischen Stoffe in Gewässern.

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Pharma- und Kosmetikhersteller fürchten Kosten

Was logisch und gerecht erscheint, wird von den Lobbyisten der Branche aufs Schärfste abgelehnt. Der Verband der Arzneimittelhersteller BAH nennt die Idee der EU-Kommission völlig unausgegoren, da sie viel zu hohe Kosten für die Arzneimittelhersteller verursache. Ein großer Teil der hergestellten Medikamente seien Generika, deren jährlicher Umsatz in Deutschland bei nur zwei Milliarden Euro liege. Es sei daher unmöglich, gemeinsam mit den Kosmetikherstellern eine Milliarde Euro für die Kläranlagen aufzubringen. Außerdem würden durch die gerforderte neue vierte Reinigungsstufe auch problematische Stoffe aus anderen Branchen entfernt. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlament hat deshalb vorgeschlagen, alle fünf Jahre zu überprüfen, für welche weiteren Stoffe sich Hersteller an der Abwasserreinigung beteiligen müssen.

20mal so viel Diclophenac

Aus dem Abwasser herausfiltern lassen sich Medikamtenrückstände bevorzugt mit Hilfe von Ozon und Aktivkohle. Wie groß das Problem ist, zeigt eine neuere Untersuchung am Beispiel von Diclophenac. Schon bei geringeren Konzentrationen in Gewässern starben mehr Fische und Muscheln als bisher angenommen. Eine französische Studie empfiehlt deshalb einen EU-Grenzwert 0,04 Mikrogramm pro Liter, der ohne Nachrüstung der Kläranlagen allerdings kaum erreicht werden kann. In der Realität ist die Konzentration viel höher. Eine Analyse von Abwasser aus einem Klärwerk in Lübeck im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks in diesem Sommer ergab eine Konzentration von 2,93 Mikrogramm Diclophenac pro Liter, eine Stichprobe in einem angrenzenden Fluss immer noch 0,86 Mikrogramm – mehr als das 20-Fache des diskutierten Grenzwerts.

Mehr: Tagesschau

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