Deutschlandticket – war’s das schon?

Das Deutschlandticket soll die Umweltbilanz des Verkehrssektors aufhübschen. Jetzt bedroht Streit über die Finanzierung das Projekt.

Bahnsteig im Bahnhof: Streit über die Finanzierung des Deutschlandticket bedroht das Projekt
Bahnsteig Deutschlandticket brachte Ansturm – folgt ihm gähnende Leere? Bild: Pixabay

Wann immer der Expertenrat für Klimafragen Bundesverkehrsminister Volker Wissing seine Klimaschutzpläne als ungenügend um die Ohren haut („schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch“), pariert der die Kritik mit dem immer gleichen Argument. Der Liberale prognostiziert, das seit Anfang Mai dieses Jahres gültige Deutschlandticket würde die Emissionen bis 2030 um fast 23 Millionen Tonnen senken. Abgesehen davon, dass das Umweltbundesamt lediglich auf 4,2 Millionen Tonnen kommt: Spendiert Wissing nicht bald zusätzliches Geld, steht das Projekt wegen ungenügender Finanzierung ohnehin schon wieder vor dem Aus.

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Streit um die Finanzierung bedroht Deutschlandticket

Einhellig rechnen der Deutsche Städtetag und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für kommendes Jahr mit einem Bedarf von gut vier Milliarden Euro zur Finanzierung des preiswerten 49-Euro-Tickets. Bund und Länder müssten demnach eine zusätzliche Milliarde bereitstellen, um das Projekt zu sichern. Doch Wissing stellt sich quer, sieht allein die Länder in der Bezahlpflicht und lehnt Gespräche mit ihnen bisher rigoros ab.

„Ohne finanzielle Garantien von Bund und Ländern steht das Deutschlandticket vor dem Aus.“

Helmut Dedy, Deutscher Städtetag

„Das ist absolut inakzeptabel“, wettert der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy. „Ohne finanzielle Garantien von Bund und Ländern steht das Deutschlandticket vor dem Aus“, warnt Dedy.

Wissings Unwille könnte daher rühren, dass er die Mittel seines Hauses bevorzugt in den Ausbau von Autobahnen und Landstraßen steckt. Dorthin floss in den vergangenen 25 Jahren doppelt so viel Geld wie in die Schiene. Unter dem FDP-Mann hat sich an dieser Schieflage nichts geändert.

Ohne neue Priorisierung stockt die Verkehrswende

Klar ist: Ohne eine neue Priorisierung kommt die Verkehrswende nicht voran, lässt die Politik die Bürger im Stich. Neueste Zahlen aus der Metropolregion Rheinland, zu der Städte wie Köln, Düsseldorf, Wuppertal und Mönchengladbach gehören, illustrieren das Dilemma. Die dortigen Verkehrsverbünde steuern dieses Jahr auf ein Defizit von 817 Millionen Euro zu. 2024 könnte es auf nahezu eine Milliarde anwachsen. Woanders sieht es nicht besser aus.

Ausgedünnte Fahrpläne, aufgeschobene Buskäufe

Ausgleichen müssen die Fehlbeträge die ohnehin klammen Kommunen. Die Folge: Im Gegenzug streichen sie den Bau neuer Verbindungen, schieben die Anschaffung moderner Busse und Bahnen hinaus und dünnen Fahrpläne aus. Statt zu steigen, sinkt so die Attraktivität der Öffentlichen Nahverkehrs.

Zynisch betrachtet bringt das Streichkonzert zumindest in einem Punkt Entlastung. Das Fehlen von laut Branchenvertretern 87 000 Busfahrern bis 2030 könnte weniger schmerzlich für die Fahrgäste ausfallen.

Mehr: Expertenrat euractiv n-tv

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