Wie der agrarisch-industrielle Komplex die Bretagne verseucht

Ammoniak aus der Landwirtschaft ist in der Bretagne zum ernsten Umweltproblem geworden. Die mit europäischen Mitteln geförderte Bauernlobby verhindert ein Einschreiten.

Moderne Schweinezucht Ohne Stroh, aber mit reichlich Ammoniak (Hans/Pixabay)

In der Luft als Gas verteilt oder im Feinstaub gebunden, begünstigt Ammoniak Krebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Bürgerinitiativen und private Recherche-Netzwerke müssen wegen des Wegschauens der Behörden die Reinhaltung von Luft und Wasser überwachen.

Ammoniak gerät vornehmlich über die Ausscheidungen von Schweinen, Hühnern oder Rindern in die Umwelt. Die Bretagne mit nur sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Frankreichs steht für 58 Prozent des französischen Schweinebestandes, für jedes dritte Huhn und über ein Fünftel der Milchviehhöfe. Laut dem staatlichen Agrarforschungsinstitut Inrae (Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement) stammen 99 Prozent der Ammoniak-Emissionen in der Bretagne aus der Tierhaltung. Ein großer Teil der dortigen Feinstaubpartikel besteht aus Ammoniumnitrat (NH4NO3).

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Tödliches Gift

„Wissenschaftlich gibt es keinen Zweifel: Ammoniak ist die wichtige Quelle von Feinstaubteilchen, die eine hohe frühe Sterblichkeit verursachen“, betont Jean-François Deleume, bretonischer Arzt und Aktivist der Umweltinitiative Eau et Rivières de Bretagne. Ein Bericht, den Delume über die Amoniakschäden verfasst hat, belegt mit Fotos des europäischen IASI-Satelliten, dass die Bretagne, vor allem der landwirtschaftlich geprägte Norden, deutlich stärker als als andere Regionen mit Ammoniak verseucht ist.

Ammoniak-Verseuchung in der Bretagne Mittelgroße Höfe nicht erfasst (Karte: Splann)

Der Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Luftröhren-, Bronchien- und Lungenkrebs sowie Asthma mit der örtlichen Ammoniak-Belastung ist zwar noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Doch ein Blick auf die Karten des ORS, der regionalen Beobachtungsstelle für Gesundheit, zeigt eine enge Korrelation für die Nordbretagne. Dort sind besonders viele Agrarbetriebe mit Ammoniak-Ausstoß ansässig.

Darüber hinaus stellte eine Studie der Universitätsklinik Rennes und der Sozialversicherung MSA fest, dass die bretonischen Milchviehalter auffallend häufig von Atemwegserkrankungen betroffen sind. Deleume konfrontierte die Regionalverwaltung mit der Studie und den von der ORS beobachteten Korrelationen von Erkrankungen und Ammoniak-Belastung. Doch die Behörde reagierte, obwohl sie zuständig ist, überrascht. Die Aktivisten der Umweltinitiative Eaux et Rivières de Bretagne schließen daraus, dass der Staat sich gar nicht um die Suche nach Daten bemüht. Das Thema werde einfach verschwiegen.

Verfälschte Daten

Tatsächlich gibt es schon bei den Regeln für die Erhebung von Umweltdaten viele Ausnahmen. Der Bauernverband FNSEA setzte einem Bericht des Fernsehsenders France 3 zufolge durch, dass selbst große Höfe nicht erfasst werden. So sind Betriebe mit weniger als 2000 Schweinen nicht meldepflichtig, Das Gleiche gilt für Hühnerhalter mit weniger als 40 000 Tieren. Rinderfarmen sind fast gänzlich von der Meldung ihrer Ausstöße befreit.

Erst seit Ende vergangenen Jahres wird die Ammoniakverseuchung der bretonischen Luft überhaupt gemessen. Allerdings nur an einem Ort. Eine zweite Messstelle soll in diesem Jahr dazu kommen. Denn französische Behörden betrachten das Gas im Gegensatz zu Ozon, Stickoxiden oder Schwermetallen nicht als gelisteten Schadstoff. Hinzu kommt, dass die zuständige Organisation für die Luftüberwachung in der Bretagne, Air Breizh, unzureichend ausgestattet ist. Trotz des besonderen Umfangs ihrer Aufgaben, ist Air Breizh nach Auskunft ihres Chef Gaël Lefeuvre, mit einem Jahresbudget von nur 1,5 Millionen Euro die ärmste Luftaufsichtsorganisation in Frankreich.

Mehr: splann

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