Investoren begeistert: Ist das der Radnabenmotor der Zukunft?

Der Radnabenmotor des Münchener Startups DeepDrive steigert die Effizienz bis zu 20 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen E-Motoren. Sind 800 Kilometer Reichweite bald kein Luxus mehr?

Doppel-Rotor-Motor von DeepDrive Auch als Radnabenmotor? (DeepDrive)
Doppel-Rotor-Motor von DeepDrive Auch als Radnabenmotor (DeepDrive)

Der neue Motor der Münchener hat das Zeug, der E-Mobilität einen neuen Schub zu liefern. Er wiegt bis zu 150 Kilogramm weniger als herkömmliche Antriebe, braucht nur die Hälfte an Magnetmaterial. Die Magneten kommen ohne seltene Erden aus. Auch der Kupferverbrauch ist geringer. Den Anteil von Stahl und Eisen konnten die Entwickler um 80 Prozent vermindern. Pro Antrieb vermindern sich daher die Materialkosten um rund 200 Euro. Und weil der Doppel-Rotor-Motor einfacher aufgebaut ist, kostet auch die Produktion weniger. In Summe könnten je Motor nach Einschätzung von DeepDrive tausend Euro weniger anfallen.

Bezogen auf das Drehmoment (vulgo: Zugkraft) des Motors fallen die Kosten um rund 30 Prozent. Möglich macht es die kompakte Bauweise. Denn der Doppel-Rotor-Motor von DeepDrive ist gleichsam zwei Motoren. Um den sogenannten Stator, also die festliegende Einheit, drehen sich außen und innen je ein Rotor. In herkömmlichen Elektromotoren dreht sich nur ein Rotor (siehe Video). Bezogen auf Platzbedarf und Gewicht und Stromverbrauch ist das Drehmoment deshalb deutlich höher.

Auch als Radnabenmotor

Weil der Motor so kompakt ist, kann er in herkömmlicher Weise als Zentralantrieb, aber auch direkt im Rad verbaut werden. Radnabenmotoren haben viele Vorteile. Sie lassen Platz im Fahrzeugraum. Bremsen und Getriebe sind integrierbar. Sie eignen sich hervorragend als Vierradantrieb. Und weil der Motor direkt an der Nabe sitzt, fallen Gewicht und Übertragungsverluste weg. Jedes Rad lässt sich gesondert ansteuern und drehen. Seitwärtsfahrten in die Parklücke oder das Drehen um die eigene Achse sind theoretisch möglich.

Die Münchener haben den platzsparenden Doppel-Rotor-Motor an verschiedenen Fahrzeugen als In-Wheel-Antrieb getestet. Bei einem Tesla Model 3 beispielsweise würde sich die Reichweite um 20 Prozent erhöhen. Reichweiten von 800 Kilometer könnten künftig damit auch für die E-Mittelklasse vorstellbar sein.

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DeepDrive-Motor Gehöriger Schub für die E-Mobilität (Breaking Lab)

Allerdings haben Radnabenmotoren auch Nachteile. Sie erhöhen den Anteil der sogenannten ungefederten Massen. Zu den ungefederten Massen gehören im klassischen KFZ Teile wie Reifen, Felgen, die Bremsanlage, die Radlager, zum Teil auch Achswellen und Stoßdämpfer. Teile wie Karosserie, Getriebe oder Motor hingegen zählen zu den gefederten Massen. Die Stöße von Fahrbahn wirken sich – durch die Reifen kaum gedämpft – direkt auf die ungefederten Massen aus. Unter Autobauern gilt die grobe Regel: Ein Kilogramm ungefederter Masse wirkt sich auf das Fahrverhalten wie sieben Kilogramm gefederter Masse aus. Sie bemühen sich daher, den Anteil der ungefederten Massen am Gesamtgewicht eines Modells möglichst gering zu halten.

Lösung für ungefederte Massen

Deshalb haben sich Radnabenmotoren bislang fast ausschließlich für Straßenbahnen, Oberleitungsbusse oder für leichte Fahrzeuge wie E-Fahrräder bewährt. Dabei ist die Technik nicht neu. Bereits 1900 zeigte Porsche auf der Weltausstellung in Paris ein Elektroauto mit Radnabenmotoren. Doch wegen der Probleme mit den ungefederten Massen setzte sich die Technik nicht durch. Hinzu kommt, dass Radnabenantriebe sich nicht für Verbrennungsmotoren eignen. Doch mit dem Aufkommen der E-Mobilität wurden die Karten neu gemischt. Allerdings gab es bislang nur wenige überzeugende Entwicklungen von hinreichend leichten und kompakten E-Antrieben.

Der DeepDrive-Motor könnte nun den Durchbruch für den Radnabenmotor bringen. Der Motor ist nur 13 Zentimeter tief. Mit einem Durchmesser von nur 43 Zentimeter passt er in eine 19-Zoll-Felge, wie sie in vielen Limosinen verbaut ist. Da er mit Gleichstrom arbeitet, reichen kleine Kabeldurchmesser.

Investoren begeistert

Das erst drei Jahre alte Startup arbeitet mit acht der größten zehn Autohersteller zusammen. BMW wird voraussichtlich schon in wenigen Jahren DeepDrive-Motoren verbauen. Mit Continental entwickelt DeepDrive Radnabenantriebe, die Bremsen und weitere Komponenten integriert. Der Autobauer aus München und der Zulieferer aus Hannover sind auch als Investoren an dem Startup beteiligt.

Anleger sind von DeepDrive begeistert. Vor wenigen Tagen gab DeepDrive bekannt, dass die jüngste Finanzierungsrunde 30 Millionen Euro eingebracht habe. Die Runde wurde von Leitmotif angeführt, einem unabhängigen Venture-Capital-Fonds aus dem Silicon Valley, der sich auf Umweltprojekte spezialisiert hat. Jens Wiese, Mitbegründer und Managing Partner von Leitmotif, kommentiert das Investment: “Diese innovative Technologie hat bereits das Interesse einiger der weltweit größten Automobilhersteller geweckt und wird ihnen helfen, die effizientesten E-Fahrzeuge zu bauen.”

Schon die erste Finanzierungsrunde im März 2023 hatte 15 Millionen Euro eingebracht. Mit dem frischen Geld wollen die Münchener nun die Serienproduktion ihres revolutionären Motors vorbereiten.

Mehr: Auto Motor Sport, DeepDrive

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