“Die Zahl der Bax, die wir in Europa verkaufen wollen, bewegt sich im vierstelligen Bereich pro Jahr”

Eigentlich ist der Autozulieferer BPW ein Achsenhersteller. Doch künftig will das Traditionsunternehmen aus Wiehl östlich von Köln auch Autos bauen, nämlich mittelgroße elektrische Lkw. Im Interview mit Greenspotting erklärt Projektleiter Wolter, wieso der Familienkonzern das Wagnis eingeht und was er sich von dem neuen 7,5-Tonner namens Bax verspricht.

Alexander Wolter, 28, ist Leiter des Projekts Bax bei dem Achsenhersteller BPW in Wiehl östlich von Köln. Seinem Team, das für die Produktion des neuen mittelgroßen elektrischen Lkw zuständig ist, gehören knapp 40 Mitarbeiter an (Foto: BPW).

Herr Wolter, kennen Sie Günther Schuh?

Meinen Sie den Professor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der unter anderem den Elektrotransporter Streetscooter entwickelte und produzieren ließ?

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Genau den, also jenen Professor Schuh, der das Unternehmen dann an die Deutsche Post verkaufte, die 2020 die Produktion einstellte.  Schreckt Sie diese Erfahrung nicht ab?

Nein, aus unserer Sicht liegt in der Elektromobilität die Zukunft des innerstädtischen Transports. Mit elektrischen Nutzfahrzeugen lassen sich die lokalen Emissionen in den Städten drastisch verringern, und wir reden hier nicht nur über Schadstoffe, sondern auch über Lärm. Weiterhin lässt sich der Ressourceneinsatz deutlich verringern, da elektrische Fahrzeuge aufgrund des deutlich höheren Wirkungsgrads nur etwa ein Drittel der Energie eines vergleichgaren Verbrenners benötigen. Last but not least lassen sich mit Hilfe elektrisch angetriebener LKW auch ganz neue Logistikkonzepte andenken. Aufgrund der niedrigen Geräuschemissionen sind E- LKW prädestiniert für die Nachtanlieferung, was auch dazu beitragen kann, die Staus in den Städten zu verringern. Mit unserem BAX sind wir einer von ganz wenigen Anbietern eines elektrischen 7,5-Tonners, der speziell für diese innerstädtischen Transporte geeignet ist.

Trotzdem ist Ihr Unternehmen BPW eigentlich ein Achsen- und kein Lkw-Hersteller. Wie kommen Sie da auf die Idee, ein Elektrofahrzeug zu bauen, von dem Sie wissen, dass die großen Konzerne lieber die Finger davon lassen?

Die Achse ist das Herzstück zukünftiger E-LKW. Elektrische Antriebe sind viel kompakter als herkömmliche Verbrenner und lassen sich so in die Achse integrieren. In der Achsentwicklung und der Integration der Antriebe liegt die Kernkompetenz der BPW. Die ersten elektrischen LKW dienten eher dazu, unsere Antriebsachsen zu erproben und deren Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Nachdem unsere eTransport-Achse mit Elektroantrieb viele tausend Kilometer erfolgreich in umgerüsteten Mercedes-Benz Vario gelaufen ist, haben uns Kunden angesprochen, ob wir nicht elektrische 7,5-Tonner auf dem aktuellen Stand der Technik bauen könnten. Das machen wir mit dem BAX jetzt – mit allen gängigen Assistenzsystemen.

7,5-Tonner Bax von BPW: Mittelgroße elektrische Lkw für Transporte im innenstädtischen Bereich (Foto: BPW)

Wie viele BAX hoffen Sie, pro Jahr zu verkaufen?

Die Zahl der Bax, die wir in Europa verkaufen wollen, bewegt sich im vierstelligen Bereich pro Jahr. Unsere Kunden sind vor allem Unternehmer, bei denen es auf Reichweite und Nutzlast ankommt. Mit unserer Kombination aus drei Tonnen realer Nutzlast und 200 Kilometer realer Reichweite sprechen wir Unternehmer an, deren Lager außerhalb der Innenstädte liegen. So reicht das Kundenspektrum von Großbäckereien, Möbelspediteuren und Kühlspediteuren bis hin zu Umzugsunternehmen. Die Einsatzgebiete sind extrem vielfältig.

Wie viele Mitarbeiter hat BPW für den BAX abgestellt?

Unser Kernteam besteht aus knapp 40 Leuten. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass die auch für Themen wie Software-Entwicklung inhouse zuständig sind. Dieses kleine Kernteam wird jedoch von der ganzen BPW-Mannschaft unterstützt, beispielsweise im Einkauf und Marketing, bei der Produktions- und Logistikplanung und so weiter und so fort.

Trotzdem sind 40 Mitarbeiter auch für ein Unternehmen wie BPW mit rund 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz ein Kosten- und somit ein Risikofaktor, erst recht, wenn damit der Aufbau einer Produktion verbunden ist.

Wir befinden uns in disruptiven Zeiten. Dies erfordert Veränderungsbereitschaft. Jede Veränderung beinhaltet Chancen und Risiken. Wir gehen bewusst dieses Risiko ein, da uns unsere Kunden signalisiert haben, dass es einen Bedarf an elektrischen Nutzfahrzeugen gibt, der bis auf weiteres nicht gedeckt werden kann. Allerdings haben wir uns entschieden, den BAX nicht selbst zu bauen, sondern die Paul Nutzfahrzeuge GmbH im bayrischen Vilshofen und damit einen der renommiertesten Partner in diesem Segment mit ins Boot zu holen, der das Fahrzeug unter anderem montiert. Dadurch kommen nicht nur schätzungsweise noch einmal 10 bis 15 Leute hinzu, sondern auch jede Menge Know-how und Erfahrung im Fahrzeugbau.

Was sind das für Leute, die in einem fast eineinviertel Jahrhundert alten Unternehmen wie BPW etwas ganz Neues anfangen?

Triebfeder für unsere neuen Themenfelder wie Elektromobilität, aber auch Digitalisierung, ist unsere Geschäftsleitung, die die Strategie vorgibt und uns die Mittel bereitstellt. Umgesetzt wird der BAX von einem jungen Team mit einer gesunden Mischung aus BPW-Know- How und neuen Ideen von Außen. Wir im BAX-Team leben davon, dass wir ein Stück weit autark arbeiten können. Wir können mit neuen Methoden bestimmte Dinge vorantreiben. Wir sind ein agiles Team, was allerdings auch der geringen Zahl der Mitarbeiter in unserer Abteilung geschuldet ist. Das bringt viele Vorteile mit sich. Trotzdem profitieren wir natürlich von BPW, weil das Unternehmen nach den Anforderungen der Automobilindustrie zertifiziert ist. Dadurch müssen wir Prozesse nicht neu erfinden, sondern können auf dem gewohnten Qualitätsstandard aufsatteln. Da haben wir definitiv einen Vorteil gegenüber manchem Startup, da wir nach Automobilstandard und damit auf höchstem Niveau arbeiten.

Wie viel Wert eines BAX geht am Ende auf das Konto von BPW und wie viel entfällt auf Zulieferer und Auftragsfertiger?

Von uns kommen der gesamte Antriebsstrang, also die Achse einschließlich der Entwicklung, die Integration der Hoch-Volt-Komponenten und die Software. Paul Nutzfahrzeuge GmbH übernimmt die Fahrzeugmontage und hat auch die EU-Typgenehmigung organisiert.

Und was kostet der BAX?

Aktuell ist ein elektrischer LKW in den Herstellkosten noch deutlich teurer als ein herkömmlicher Verbrenner. In Verbindung mit den aktuellen Fördermaßnahmen ist er jedoch durchaus konkurrenzfähig und punktet durch niedrigere Betriebskosten und Zukunftssicherung des Geschäfts. Unter Berücksichtigung der Förderung lässt sich unser BAX für eine Leasingrate ab 1 350 Euro im Monat leasen. Hinzu kommen diverse Vorteile wie etwa deutlich niedrigere Betriebskosten, geringere Wartungskosten und Steuererleichterungen.

Ihre letzte Erfolgsmeldung datiert vom 7. November, als eine Firma in Ahaus in Nordrhein-Westfalen einen BAX gekauft hat. Ein Großauftrag sieht anders aus. Wie viele Bestellungen haben Sie aktuell in den Büchern?

Wir haben die Marke BAX im Oktober des vergangenen Jahres präsentiert. Der Kauf hängt aktuell – wie bei anderen Elektroautos auch – stark von der staatlichen Förderung ab.  Aktuelle Förderanträge sind zur Zeit noch in Bearbeitung. Wir bereiten uns auf eine signifikante Steigerung unser Auftrags- und Produktionszahlen im Frühjahr des kommenden Jahres vor.

Auch das klingt nicht nach sehr viel.

Der Markt für elektrisch angetriebene LKW befindet sich aktuell noch in den Startlöchern. Wir sind einer der wenigen Anbieter, die bereits ein erprobtes und bewährtes Produkt anbieten und auch liefern können. Inzwischen hat der BAX eine EU-Typengenehmigung, wodurch wir das Fahrzeug bald in ganz Europa vertreiben können. Dadurch konnten wir unsere Palette der Fahrzeugtypen stark erweitern, darunter zum Beispiel Kühlfahrzeuge, Müllfahrzeuge. Auf dieser Basis weiten wir unseren Vertrieb jetzt sowohl bezüglich Fahrzeugvariationen als auch in Punkto Zielmärkte in Mitteleuropa aus.

Was haben Sie sich für die kommenden zwei Jahre vorgenommen?

Wir gehen mit dem BAX jetzt in die einzelnen Länder. Schon seit dem Fahrzeuglaunch stellen wir international ein reges Interesse fest. Es gibt einfach eine große Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Lkw im 7,5-Tonnen-Bereich, zumal sich die Regulierungen zur Vermeidung von Emissionen weltweit verschärfen.  Ziel ist es, in den nächsten Jahren die Stückzahl immer weiter hochzuschrauben.

Das Interview führte Reinhold Böhmer

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