Der Direktor des Nuklear-Observatoriums, Stéphane Lhomme, hält nichts von den Plänen, tausende Klein-AKWs aufzubauen. Die neue Begeisterung für die Mini-Meiler verschleiere, dass sich die französische Atompolitik in einer Sackgasse befinde. Die Kleinkraftwerke seien teuer und wenig effizient. Ohnehin würden die Projekte am Widerstand der Anrainer scheitern.
Der Atomkritiker rechnete gestern in der Tageszeitung Le Monde mit den Plänen von Emmanuel Macron ab. Frankreichs Staatspräsident hatte vor wenigen Tagen angekündigt, die atomare Energieversorgung des Landes weiter auszubauen und dafür tausende atomare Mini-Meiler, sogenannte SMR (small modular reactors), einzusetzen.
Nach Meinung des Direktors des Nuklear-Observatoriums (Observatoire du nucléaire) zeigt das SMR-Manöver, dass die französische Energiepolitik insgesamt gescheitert ist. Die staatliche Energiegesellschaft EDF wisse nicht mehr, wie sie die rund 60 baufälligen Altkraftwerke weiter in Betrieb halten solle. Der Aufbau des Atomparks innerhalb kürzester Zeit vor vierzig bis fünfzig Jahren sei zwar eine industrielle Glanzleistung Frankreichs gewesen. Die Folge sei heute allerdings, dass Massen von Meilern jetzt gleichzeitig vor dem Ende stünden.
AKW-Gegner helfen AKW-Betreibern
So komme es zu der absurden Situation, dass die EDF der Anti-AKW-Bewegung gleichsam dankbar sein müsse. Sie könne die Gründe für die Schließungen von Altanlagen so “ideologischen Entscheidungen” in die Schuhe schieben. Und sie brauche nicht öffentlich zuzugeben, dass sie nicht in der Lage sei, den Betrieb der vielen Alt-AKW weiter aufrecht zu erhalten.
Von der AKW-Neubau-Front kämen ebenso wenig Erfolgsmeldungen. Die geplanten sechs Druckwasser-Reaktoren (EPR) seien angesichts der Schwierigkeiten beim aktuellen ERP-Projekt Flamanville Illusion. Der EPR in Flamanville sollte nach fünfjähriger Bauzeit 2012 fertig werden. Inzwischen wird mit einer Fertigstellung des Baus nicht vor 2025 gerechnet. Die geplanten Kosten werden fast um das Sechsfache übertroffen.
Durchsichtiges Manöver
In dieser verfahrenen Situation habe Macron nun die neue Mini-Meiler-Technik aus dem Hut gezogen. Doch auch dieser kommunikative Schachzug werde die Nuklearpolitik nicht retten. Zum einen sei die Rentabilität der Kleinst-Reaktoren nicht ausreichend. Zum anderen lieferten sie nicht genug Strom. Kritiker Lhomme erläutert das am Beispiel des Kernkraftwerks Blayais in der Nähe von Bordeaux. Das Alt-AKW produziert bis zu 3 600 Megawatt. Ein SMR dagegen liefert nur etwa 170 Megawatt – weniger als ein Zwanzigstel. Hinzu komme, dass die SMR vor dem Jahr vor dem Jahr 2040 nicht einsetzbar seien.
Probleme sieht Stéphane Lhomme vor allem bei der Standortwahl. Es sei bereits heute unmöglich, ein neues Kernkraftwerk zu errichten, insbesondere in der Nähe von Wohngebieten. Gegen die massenweise Ansiedlung von Kleinkraftwerken würden die Anwohner revoltieren – einschließlich der Kernkraftbefürworter.
Mehr: Le Monde
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