In Kenia entsteht das größte Geothermie-Kraftwerk der Welt

Die Leistung des Kraftwerks in Olkaria soll verdoppelt werden. Kenia bezieht schon heute 38 Prozent der Energie für die Stromversorgung aus den Tiefen der Erde. Doch es gibt auch Schattenseiten.

Geothermisches Kraftwerk in Kenia Olkaria könnte ebenso viel Energie liefern wie sechs große AKW (KenGen)
Geothermisches Kraftwerk in Kenia Olkaria könnte künftig ebenso viel Energie liefern wie sechs große AKW (KenGen)

Etwa 120 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Nairobi dampft die Erde an vielen Stellen. Hier befindet sich der Hell Gate (Tor zur Hölle) National Park. Und hier driften die Afrikansiche und die Arabische Kontinentalplatte auseinander. Die Bewegungen des ostafrikanischen Grabenbruchs führen dazu, dass die Erdkruste entlang der 7000 Kilometer langen Bruchkanten dünner ist.

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Manchmal sackt die Erde ab. Vor Jahren verschwand sogar ein Teil einer Landstraße. Angenehme Folge für die geothermische Energiegewinnung: Die Temperatur nimmt schon in geringen Tiefen erheblich zu. An einzelnen Stelle der Region beträgt die Temperatur in nur tausend Meter Tiefe über 300 Grad Celsius. Zum Vergleich: Im Oberrheingraben, einem tektonisch aktiven Gebiet zwischen Karlsruhe und Basel, liegen die Temperaturen in 2 500 Tiefe bei 105 Grad.

Kenia – Zweitgrößtes Geothermie-Kraftwerk weltweit

Schon die britischen Kolonialherren interessierten sich für die Erdwärme in dem ostafrikanischen Land. 1952 wurde die erste Bohrung erfolgreich durchgeführt. Nach ihrer Befreiung vom Kolonialjoch betrieben die Kenianer das Projekt weiter. Wegen Geldmangels dauerte es aber bis 1981, bevor das erste geothermische Kraftwerk in Olkaria mit einer Leistung von 15 Megawatt ans Netz ging. Seitdem gingen fünf weitere Kraftwerke in Olkaria in Betrieb. Heute ist der Komplex das zweitgrößte Geothermie-Kraftwerk weltweit. Etwa ein Viertel der elektrischen Energie Kenias stammen aus Olkaria. Landesweit liefert die Geothermie 38 Prozent der elektrischen Energie Kenias.

Doch nun will der teils staatliche Energieversorger KenGen die Anlage erheblich vergrößern. Bis 2030 soll die aktuelle Kapazität auf rund 16 00 Megawatt verdoppelt werden. Damit nicht genug: Langfristig – so die Überlegungen von KenGen – könnte das Kraftwerk bis zu 10 000 Megawatt liefern. Das entspricht der Leitung von sechs Atomkraftwerken. Noch stärker als bisher will der Versorger die Restenergie, die nach der Stromerzeugung bleibt, für den Betrieb von Blumenhäusern, Thermalbädern oder Kühlung nutzen.

Global gesehen ist Kenia der siebtgrößte Nutzer von Geothermie hinter den USA, den Philippinen, Indonesien, der Türkei, Neuseeland und Mexiko. Alle genannten Länder liegen in oder grenzen an tektonisch aktive Regionen. Inzwischen begleiten kenianische Experten zunehmend Geothermie-Projekte in anderen ostafrikanischen Ländern.

Bedrohte Massai

Olkaria hat allerdings auch eine Schattenseite. Obgleich geothermische Anlagen im Vergleich zu anderen nachhaltigen Energien – wie etwa der Wind- oder Sonnenenergie – wenig Platz brauchen, bedroht das Kraftwerk den Lebensraum der halbnomadischen Massai. Die Rinderhirten hadern vielfach mit der Moderne. Sie wollen ihre Traditionen erhalten. Im Vergleich zu anderen Ethnien Kenias ist die Alphabetisierungsrate gering. Sie sind deshalb ungleich vulnerabler als die meisten Angehörigen der mehrheitlichen Bantubevölkerung.

Bislang mussten tausend Massai dem Ausbau des Kraftwerks weichen. Die Massai klagten darüber, dass die neu zugewiesenen Territorien für ihre Lebensweise weniger geeignet seien. Zwar besserte das Energieunternehmen später nach. Doch die Massai sehen sich weiterhin benachteiligt. Inzwischen haben sie die Vereinten Nationen eingeschaltet.

Auch bei anderen grünen Energieprojekten in Kenia scheint es zu knirschen. So hat das Business & Human Rights Resource Center im vergangenen Jahr sechs klimafreundliche Energievorhaben in dem ostafrikansichen Land dokumentiert, bei denen es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. 

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