Früher vielfach genutzt, könnte Urin viel mehr dazu beitragen, Ressourcen zu sparen, die Umwelt zu schonen und den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Obendrein wäre es ein Milliardengeschäft.
Im antiken Rom hatte Kaiser Vespasian eine Steuer auf menschlichen Urin erhoben, weil die Menschen diesen großen Stils sammelten, um damit etwa Leder zu gerben oder Wäsche zu reinigen. Als Sohn Titus darüber die Nase rümpfte, sprach sein Vater den berühmten Satz: „Non olet“ – ins Deutsche übernommen als „Geld stinkt nicht“. Bei einer Weltbevölkerung von heute knapp acht Milliarden Menschen und entsprechend gigantischen Ausscheidungen erhält die Weisheit eine ganz neue Relevanz. Denn würden die gewaltigen Mengen menschlichen Urins industriell genutzt, könnten damit riesige Mengen an Ressourcen gespart, Land und Meer vor Verschmutzungen durch unkontrollierte Einleitung bewahrt und Treibhausgasemissionen verringert werden. Dies ist das Ergebnis neuer wissenschaftlicher Untersuchungen und Ansätze etwa in Schweden.
Düngemittel im Wert von zwölf Milliarden Euro jährlich
So könnten Gemeinden, wenn sie Urin systematisch abscheiden, ihre Treibhausgasemissionen je nach Technologie um bis zu 47 Prozent senken, ihren Energieverbrauch um bis zu 41 Prozent, den Süßwasserverbrauch um etwa 50 Prozent und die Nährstoffbelastung durch das Abwasser um bis zu 64 Prozent senken. Zudem könnten der Phosphor, das Kalium und der Stickstoff, die im Urin erhalten sind, nach erfolreicher Zurückgewinnung rund 13 Prozent des Düngermittelbedarfs ersetzen. Der Wert der Pflanzennährstoffe aus Pipi betrüge knapp zwölf Milliarden Euro pro Jahr.
Keine Vorbehalte in China und Frankreich
Um daraus ein neues Geschäft zu machen, müssten die Toiletten weltweit umgerüstet werden. Widerstand gegen die industrielle Nutzung von Urin dürfte von den etablierten Düngemittelherstellern kommen, die zur Klimaschädlichkeit der intensiven Landwirtschaft beitragen. Vorbehalte bei Verbrauchern gegen Gemüse, das indirekt mit Urin gedüngt wurde, sind indes nicht unbedingt zu erwarten. So lag die Bereitschaft zum Konsum solcher Pflanzen laut einer Umfrage im vergangenen Jahr zumindest in Ländern wie China und Frankreich bei fast 80 Prozent.
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