Studie – Geothermie kann Energieproblem klimaneutral lösen

Die Chancen der Geothermie werden bislang kaum genutzt. Dabei würde ein Zehntel der vorhandenen Erdwärme reichen, um zwanzig Prozent der deutschen Wärmenachfrage zu decken.

Geothermie Das Tiefbohrgerät Innova Rig bohrt bis zu 7000 Meter Teufe (Bundesverband Geothermie)
Geothermie Das Tiefbohrgerät Innova Rig bohrt bis zu 7 000 Meter Teufe (Bundesverband Geothermie)

Geothermie ist für die Wärmewende unabdingbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Doch von Deutschlands jährlichem Endenergieverbrauch für Wärme für Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung wird nur ein Achtzigstel geothermisch bereitgestellt, meist durch oberflächennahe Systeme.

Wenn von nachhaltigen Energien die Rede ist, denken die meisten Menschen an Stromerzeugung durch Solar- oder Windanlagen. Doch elektrische Energie machte im vergangenen Jahr nur 20,6 Prozent des Energie-Endverbrauchs in Deutschland aus. Mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs entfällt auf die Wärmeversorgung. Der Großteil der dafür verwendeten Energie stammt nach wie wie vor aus fossilen Energien wie Erdgas, -öl oder Kohle. Nur 7,5 Prozent der Heizungen in Wohnungen, Büros oder Werkstätten werden elektrisch betrieben. 5,8 Prozent davon mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen.

Tiefe Geothermie – unterschätzte Energiequelle

Insgesamt nur ein Sechstel der Wärmeleistung im sogenannten Niedrigtemperaturbereich, also der Gebäudeheizung- und Warmwasserbereitung, stammt aus nachhaltigen Energien. Denn die Erneuerbaren erzeugen vor allem Strom. Geothermie als gleichsam ewige Energie aus dem warmen Inneren der Erde könnte, der Acah-Studie zufolge, den Energieanteil der Erneuerbaren erheblich steigern.

Deutschland verbraucht im Wärmesektor pro Jahr rund 800 Terawattstunden. Nur zehn etwa zehn Terawattstunden davon kommen aus der Geothermie, größtenteils durch oberflächennahe Systeme. Die tiefe Geothermie, also die Erdwärme aus Schichten tiefer als 400 Meter spielt für die Wärmeversorgung kaum eine Rolle. So stammt selbst in Bayern, dass als Modellstaat für die Nutzung der tiefen Erdwärme gilt, lediglich 0,6 Prozent der Energie für den Wärmesektor aus tieferen Erdschichten.

Ideal für Städte

Doch diese geringen Werte liessen sich mit vertretbaren Mitteln deutlich steigern: Werden nur zehn Prozent des natürlichen Potenzials wirtschaftlich genutzt, könnte die tiefe Geothermie einen Beitrag von 20 Prozent des gesamten deutschen Wärmemarkts leisten. „Damit könnten kleinere Kommunen und auch Großstädte zu einem signifikanten Anteil mit klimaneutraler Wärme versorgt werden, die unabhängig von Jahreszeiten oder Wetter zuverlässig zur Verfügung steht“, ergänzt der Leiter der Studie und acatech-Mitglied Rolf Emmermann.

Wegen der größeren Abnahmedichte sieht Emmermann in den urbanen Ballungsräumen gute Chancen für die Geothermie. Dies gelte vor allem für Städte mit vorhandenem, ausbaufähigen Wärmenetzen, die eine Einspeisung großer Energiemengen möglich machten. Heute werden rund 15 Prozent aller Wohnungen durch Fernheiznetze versorgt.

Modell München

Als vorbildliche Region gilt München. Im Umkreis von München gibt bereits mehrere Bohrungen und eine seit Jahren funktionierende geothermische Infrastruktur. Die häufig befürchteten Erdbeben sind bislang ausgeblieben. Fachleute erwarten, dass auch künftig die Erde im Nutzungsgebiet ruhig bleibt. Als erste bayerische Kommune hat München gemäß dem Wärmeplanungsgesetz im Mai 2024 einen Wärmeplan veröffentlicht, in dem der Ausbau und die Optimierung von Wärmenetzen (Fernwärme, Nahwärme) eine wichtige Rolle spielt. Im Großraum München wird die Energie aus der Erde darüber hinaus auch zur Gebäudekühlung genutzt.

Bis vor kurzem konnte die tiefe Geothermie nicht mit billigem Öl, Gas oder Kohle nicht konkurrieren. Inzwischen sind die Fossilen jedoch teurer geworden. Gleichzeitig haben sich die Kosten für Bohrungen massiv verringert. Zusätzlich kommen auf Verbraucher von Öl-, Gas- oder Kohleenergie Kosten für die wachsende CO2-Abgabe zu.

Ein großer Vorteil der Geothermie im Vergleich zu Wind- oder Solarenergie ist die Unabhängigkeit vom Wetter oder der Tageszeit. Auch verschandeln die relativ kleinen Geothermie-Anlagen weder die Landschaft noch die Ästhetik der Dächer in den Städten.

Heiße Erdkugel

Die tiefe Geothermie ist unter den Erneuerbaren die wohl am meisten unterschätzte Energiequelle. Denn 99 Prozent der Erdmasse sind heißer als tausend Grad Celsius. Allein die oberen zehn Kilometer der Erdkruste, ein nur kleiner und relativ kalter Teil der Erde, bergen mit etwa 278 Milliarden Terawattstunden etwa hunderttausendmal so viel Energie wie die Menschheit benötigt.

Nach je tausend Meter Erdtiefe steigt die Temperatur im Schnitt um 30 Grad. Die Bohrlöcher für die 41 tiefen Geothermie-Anlagen in Deutschland sind im Mittel 2 500 Meter tief. Die tiefsten Erdwärmebohrungen erreichen hierzulande mehr als 5 000 Meter. Im Raum Karlsruhe, wo die sogenannte geothermische Tiefenstufe recht hoch ist, lässt sich bereits aus 3 500 Meter Tiefe eine 160 Grad heiße Sole fördern.

Immer tiefere Bohrungen

Weltweit wurde das tiefste Geothermie-Bohrloch mit 6 400 Meter bislang im südfinnischen Espoo vorangetrieben. Doch will ein Bostoner Startup namens Quaise seine Erdwärme-Bohrlöcher bis zu 20 Kilometer Tiefe treiben. Daraus soll, so Quaise-CEO und -Mitgründer Carlos Araque, bis zu hundert Jahren lang 500 Grad heißer Dampf entweichen. Mit solchen Temperaturen könnten auch E-Kraftwerke betrieben werden. Die erste 100-Megawatt-Anlage soll bereits 2026 eine mittlere Großstadt versorgen.

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