Nachts in den Container hinterm Supermarkt klettern, um Lebensmittel zu retten, war gestern. Heute gibt es das gute Gewissen und die Ersparnis per App. Sir Plus, Motatos oder ResQ Club heißen die Startups, die beim Essen-Retten helfen – und in der Regel mitverdienen wollen. Der größte unter den Food-Sharing-Anbieter, Too Good To Go, wächst kräftig – und macht auch kräftig Verluste.
Allein in Deutschland landen nach Angaben der Umweltorganisation WWF rund 18 Millionen Tonnen Nahrungsgüter im Müll. Sie setzen 48 Millionen Tonnen Treibhausgase frei. Weltweit geht ein Drittel aller Lebensmittel in den Abfall. Ein Unding, so die Meinung von Mette Lykke. Die Dänin ist seit 2017 Chefin von Too Good To Go (TGTG) und sorgt dafür, dass der Berg von 1,6 Milliarden Tonnen weggeworfener Lebensmittel im Werte von 1,2 Billionen Dollar weltweit nicht noch schneller anwächst. Im vergangenen Jahr hat TGTG nach eigenen Angaben 29 Millionen Mahlzeiten vor dem Container gerettet. 31 Millionen Menschen in 15 Ländern nutzen die App des nach Meinung von Branchenkennern größten Anbieters von foodsharing weltweit.
Dabei durchleidet TGTG gerade eine Krise. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz coronabedingt um fast zwei Drittel eingebrochen. Dennoch sammelte das Unternehmen Anfang des Jahres über 31 Millionen Dollar Risikokapital für die Expansion in den USA ein. Wie andere Starups während der Aufbaujahre, macht das Unternehmen noch keinen Gewinn. 2019 betrug der Verlust etwa elf Millionen Verlust. In diesem Jahr wird der Verlust mit dem Umsatzwachstum noch ansteigen. Das Wachstum ist ebenfalls erheblich: Ende 2019 beschäftigten die Dänen 500 Mitarbeiter weltweit. Im Jahr davor waren es nur 200. Über den aktuellen Umsatz kursieren nur Schätzungen. Nach Hochrechnungen, die pro geretteter Mahlzeit von rund vier Euro und 25 Prozent Provision ausgehen, werden die Einnahmen bei erwarteten 65 Millionen geretteten Mahlzeiten sich in diesem Jahr auf über 65 Millionen Dollar summieren.
Einfache Bedienung
Die Nutzung der App ist einfach. Die User wählen ein Restaurant, Hotel oder den Bäcker in der Nähe an, erhalten ein Abholzeitfenster – meist zwischen einer viertel oder einer halben Stunde – und holen sich ihre Überraschungstüte ab. Beim Gastronomen oder Bäcker um die Ecke bestätigen sie kurz den Empfang, bekommen die Nachricht “Du hast gerade Lebensmittel vor der Tonne gerettet” – fertig. Die Ersparnis beträgt meist zwischen 50 und 70 Prozent.
To Good To Go ist der größte Spieler in der wachsenden Sharing-Branche für Ernährung, aber längst nicht der Einzige. Es gibt gemeinnützige Initiativen wie Foodsharing, bei denen Private an Private liefern, Andere wie der Mittelständler Etepetete retten Gurken, die zu krumm sind oder Radieschen, die zu klein sind vor dem Entsorgen. Die Bauern liefern dabei direkt an die Endverbraucher. Wieder andere wie das Berliner Startup Sir Plus organisieren Angebotsregale in Läden mit abgelaufenen, aber noch geniebaren Lebensmitteln. Oder liefern wie die skandinavische Gründerfirma Motatos die Ware nach Oneline-Bestellung nach Hause. Den meisten dieser Plattformen ist gemeinsam, dass sie wie TGTG enorm wachsen, jedoch noch keine oder wenig Gewinne machen. Aber so haben Amazon oder Facebook auch angefangen.
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