Autoindustrie wettert gegen Einführung der Abgasnorm Euro 7

Jobkiller, Preistreiber – Hersteller und Verbände lassen kein gutes Haar an der Einführung der Abgasnorm Euro 7. Was ist dran an den Vorwürfen?

Eine städtische Ausfallstraße im Berufsverkehr: Die Einführung der Abgasnorm Euro 7 soll für bessere Luft sorgen
Vollgepackte Stadtstraßen Angeblich schadet die Einführung der Abgasnorm Euro 7 massiv der Autoindustrie
Bild: Thomas auf Pixabay

Von einem “Kniefall vor der Autolobby” spricht die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Dagegen malen die Hersteller das Schreckensbild eines Todesstoßes für die europäische Autoindustrie an die Wand, würde die Einführung der Abgasnorm Euro 7 in der geplanten Form Wirklichkeit. Kleinwagen würden wegen des erhöhten technischen Aufwands unbezahlbar, europaweit drohe der Verlust von 300 000 Arbeitsplätzen, warnt der Präsident der europäischen Herstellerverbands Acea, Renault-Chef Luca de Meo.

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Einführung der Abgasnorm Euro 7 für 2025 geplant

Parteiübergreifenden Flankenschutz leisten die Ministerpräsidenten der Autoländer Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg: Stephan Weil (SPD), Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU). In einem offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz argumentieren sie im Einklang mit der Branche: Die Entwicklung der Technik sei zu teuer und lohne sich im Hinblick auf das bereits beschlossene EU-weite Aus für neue Fahrzeuge mit Verbrennermotor von 2035 an nicht mehr. Zudem profitiere die Umwelt von der Verschärfung nur wenig.

Irrt die EU-Kommission also mit ihren neuen Regeln? Und schaden sie einem der wichtigsten Industriezweige des alten Kontinents massiv? Ein Blick auf die Fakten.

Erstmals werden Emissionen von Bremsen und Reifen erfasst

Geht es nach Brüssel soll die Euro-7-Norm von Mitte 2025 für alle neuen Pkw und kleineren Lieferwagen gelten. Zwei Jahre später auch für alle Lkw und Busse verpflichtend sein. Unabhängig davon, ob das Gefährt elektrisch, mit Autogas, Benzin oder sonstwie angetrieben wird. Neben der Ministerrat muss auch das EU-Parlament die Verordnung noch absegnen. Diese Woche läuft die Frist für Stellungnahmen aus.

Neu ist, dass erstmals auch die Partikel-Emissionen von Bremsen und Mikroplastik-Emissionen von Reifen erfasst werden. Zudem sehr feiner Feinstaub und der Ausstoß von Ammoniak. Das Molekül spielt eine Schlüsselrolle bei der Bildung von städtischem Smog.

Riegel gegen betrügerische Manipulation

Die Verschärfung soll die Luftqualität erheblich verbessern und so Fahrverbote überflüssig machen. Der gesundheitsgefährdende Ausstoß an Stickoxiden (NOX) würde den Berechnungen der Kommissare zufolge gegenüber der geltenden Euro-6-Norm um 35 Prozent sinken, bei Bussen und Lastwagen sogar um 56 Prozent.

Abschalteinrichtungen wie im Dieselskandal wären gar nicht mehr erlaubt. Die Fahrzeuge müssen die Normen unabhängig von der Fahrsituation und bei jedem Wind und Wetter einhalten. Ein wirksamer Riegel gegen betrügerische Manipulationen.

Milliardengrab oder leicht zu stemmende Zusatzkosten?

Der wunde Punkt: Natürlich würde die technische Aufrüstung Zusatzkosten verursachen. Renault-Boss de Meo beziffert sie auf “Milliarden von Euro”. Opel-Chef tituliert sie als “unnötige Investments”. Und Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Autozulieferer Bosch, mahnt bei aller grundsätzlichen Zustimmung: Die Regulierung dürfe nicht so gestalten werden, „dass man keinen Motor mehr ökonomisch bauen kann“.

Die EU-Kommission weist solche Behauptungen als Horrorberechnungen zurück. Nach ihren Zahlen verteuern sich Pkw um allenfalls 150 Euro in der Anschaffung. Bei Bussen und Lkw entstehen Aufschläge von rund 2700 Euro.

“Die Ministerpräsidenten müssen sich aus dem Würgegriff der Automobilindustrie befreien”

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH

Selbst noch strengere Grenzwerte würden die Zusatzkosten auf höchstens 300 Euro anheben, gibt Jürgen Resch zu Protokoll, Bundesgeschäftsführer der DUH. Die Technologien seien alle auf dem Markt. “Die Ministerpräsidenten müssen sich aus dem Würgegriff der Automobilindustrie befreien”, fordert er. Und verweist auf 412 000 Menschen, die in der EU wegen der hohen Feinstaubbelastung jährlich vorzeitig stürben.

ADAC setzt sich für Verschärfungen ein

Unterstützung für seine Position findet Resch ausgerechnet beim ADAC, dem Hort aller Autofans. Dessen Experten urteilen: “Der ADAC setzt sich für saubere Fahrzeuge ein, die zu einer besseren Luftqualität und damit zum Schutz der Gesundheit beitragen. Neue Emissionsgrenzwerte können deshalb anspruchsvoll und im Rahmen des durchaus bestehenden Spielraums verschärft werden.” Einzige Einschränkung: Sie sollten technisch machbar sein.

Die Fachleute des Automobilclubs setzen sich sogar für Verschärfungen ein. Zum einen sollte der “Manipulationsschutz” auch Fahrzeugsicherheitssysteme, Fahrzeugvernetzung und automatisierte Fahrfunktionen umfassen, fordern sie. Zum anderen machen sie sich dafür stark, dass die Autos die Normen auch nach 240 000 Kilometern Fahrleistung noch einhalten, analog zu den Bestimmungen in den USA. Die Kommission setzt die Grenze bei 200 000 Kilometern.

Ein bemerkenswerter Positionswechsel des Lobbyverbands.

Mehr: Stern FAZ DUH ADAC

Dieter Dürand

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