Laut gängiger Prognosen schadet die Energiekrise dem Klimaschutz und der Wirtschaft. Potsdamer Ökonomen kommen nun zu einem gegenteiligen Schluss.

Bild: Dagoberta auf Pixabay
Industrie und Verbraucher ächzen unter den hohen Preisen für Gas und Strom. Um ausbleibende Öl- und Gaslieferungen aus Russland kurzfristig zu ersetzen, fließen Milliarden in die fossile Infrastruktur. Zum Beispiel Flüssiggas-Terminals. Nach gängiger Theorie schaden hohe Preise der Konjunktur; Investitionen in neue Gasanlagen dem Klima. Eine Studie des Mercator Research Institutes on Gobal Commons and Climate Change (MCC) widerlegt solchen Pessimismus. Dessen Ökonomen bewerten die Energiekrise im Gegenteil gar als Chance sowohl für den Klimaschutz als auch die Wirtschaft.
Energiekrise eine Chance für besseren Klimaschutz
Die Erkenntnis basiert auf einem von chinesischen Wissenschaftlern entwickelten und in der internationalen Klimaforschung anerkannten neuartigen Gleichgewichtsmodell. Angewandt haben es die Potsdamer auf die Europäische Union (EU). Sie rechneten zunächst für 2022 aus, wie sich Russlands Gasboykott auf den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und das Bruttoinlandsprodukt auswirkte.
Heraus kam, dass die Wirtschaftsleistung der EU um 1,5 Prozent niedriger ausfiel als in einem Szenario ohne Energiekrise und Ukraine-Krieg. Im Gefolge sanken auch die durch wirtschaftliche Aktivität verursachten CO2-Emissionen – um 12,3 Prozent. Gut fürs Klima, schlecht für die Konjunktur.
Tempolimits und Sonntagsfahrverbote gut für den Wohlstand
Doch die Einbuße an Wohlstand hätte merklich kleiner ausfallen können, der Gewinn fürs Klima hingegen noch größer. Hätte die Politik die richtigen Maßnahmen zum Gegensteuern ergriffen. So die Kernbotschaft der MCC-Experten.
„In der von Moskau provozierten Abkopplung steckt die Chance, den europäischen Green Deal und den Weg hin zu Klimaneutralität zu beschleunigen.“
Ottmar Edenhofer, Direktor MCC
Sie denken laut Mit-Autor Felix Creutzig dabei beispielsweise an Tempolimits, Sonntagsfahrverbote und verbindliche Vorgaben zur niedrigeren Temperierung von Gebäuden. Alles unpopulär, aber leicht zu verordnen und schnell umsetzbar. „Die Politik kann den Trend zum Energiesparen, der sich durch die höheren Preise ohnehin ergibt, durch Vorgaben oder Empfehlungen verstärken“, erläutert Creutzig. Als Belohnung wäre die Wirtschaft nur um 0,8 statt der 1,5 Prozent geschrumpft.
Doppelwumms für Wirtschaft und Klima
Zugute halten muss man den EU-Staaten, dass sie parallel zum Rückgriff auf fossile Energiequellen kräftig den Ausbau von Windkraft und Solaranlagen voran getrieben haben. Ein weiterer Doppelverstärker für Wirtschaft und Klima. Für MCC-Direktor Ottmar Edenhofer ist die Richtung klar. „In der von Moskau provozierten Abkopplung steckt bei richtiger Ausgestaltung durchaus die Chance, den europäischen Green Deal und den Weg hin zu Klimaneutralität zu beschleunigen.“
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