Trotz Revival von Kohle und Erdgas: Der Strom-Anteil aus erneuerbaren Energien wächst in Europa.

Bild: Erich Westendarp auf Pixabay
Es ist eine faustdicke Überraschung – und eine gute Nachricht fürs Klima. Obwohl Europas Regierungen als Reaktion auf Russlands Gasboykott Kohlemeiler wiederbeleben und massiv in Flüssiggas (LNG) investieren, haben Solar- und Windkraftanlagen in der EU vergangenes Jahr erstmals mehr Strom erzeugt als Gaskraftwerke bereit stellten. Das zeigt eine aktuelle Strommarkt-Analyse der Denkfabrik Ember Climate. Die erneuerbaren Energien befinden sich auf Rekordkurs
Der Anteil erneuerbarer Energien wächst sprunghaft in Europa
Die Verfeuerung von Kohle und Gas stieg 2022 entgegen aller Erwartungen lediglich um drei Prozent. Zuletzt war die Nutzung sogar wieder rückläufig. Dagegen legte der Anteil der in den 27 EU-Staaten per Wind und Sonne produzierten Elektrizität mit 623 Terawattstunden (TWh) auf 22 Prozent kräftig zu. Die erneuerbaren Energien überflügelten damit Gas, das knapp 20 Prozent lieferte – einen knappen Prozentpunkt weniger als im Jahr zuvor. Kohle kam auf 16 Prozent (siehe Grafik unten).

Ember-Chefanalyst Dave Jones lobt die Entwicklung. “Alle Befürchtungen einer Renaissance von Kohle und Gas haben sich verflüchtigt. Europa rast förmlich in Richtung einer sauberen, strombasierten Ökonomie. Die Energiekrise hat den Wandel enorm beschleunigt.” Sein Statement unterfüttert Jones mit einer Prognose. Demnach bricht die fossile Stromerzeugung dieses Jahr regelrecht ein – um 20 Prozent.
Sonnenenergie startet durch
Am stärksten trug die Windkraft 2022 zum Erfolg der Erneuerbaren bei. Aus ihr stammten 420 TWh – ein Plus von 8,6 Prozent gegenüber 2021. Insgesamt kommt sie auf 15 Prozent am Strommix. Doch beim Zuwachs läuft die Sonnenenergie dem Wind den Rang ab. Solaranlagen produzierten vergangenes Jahr 203 TWh – damit 39 TWh oder 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ersparte der EU Ember zufolge zehn Milliarden Euro beim Gaseinkauf. Gleich 20 EU-Länder bauten ihre Solarkapazitäten kräftig aus (siehe Grafik unten).

Stromszenario für den 1,5-Grad-Celsius-Pfad
Auf Basis der neuesten Zahlen halten es die Ember-Experten für durchaus realistisch, dass die EU doch noch bis 2035 auf den im Pariser Klimaabkommen zugesagten 1,5-Grad-Celsius-Pfad einschwenken kann. Vorausetzung ist, dass Kohlestrom noch vor 2030 komplett verbannt wird und der Einsatz von Gas massiv sinkt (siehe Grafik unten). Damit die Vision Realität wird, müssten die Regierungen allerdings viel zusätzliches Geld in den Umbau des Energiesektors pumpen, stellen die Ember-Leute klar.

Zögern ist allerdings nicht mehr erlaubt. Es müsse sofort losgehen, Barrieren aus dem Weg geräumt werden, betonen die Experten. Und halten noch eine Beruhigungspille parat. Auch ein grünes Stromsystem garantiere eine zuverlässige Versorgung von Industrie und Verbrauchern mit Watt und Volt.
Mehr: Ember Climate NZZ
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