Windkraft kommt nicht in die Gänge

Windkraft soll das künftige Rückgrat der deutschen erneuerbaren Energieversorgung bilden. Doch der Ausbau dümpelt vor sich hin. Innovationen passieren anderswo.

Aufbau einer Windkraft-Anlage am Starnberger See
Aufbau einer Windkraft-Anlage Genehmigungen sanken in den ersten drei Quartalen 2022 um gut 16 Prozent
Foto: (C) Markus Pfeiffer

Die Ankündigungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck klingen ambitioniert. Um der Klimakrise etwas entgegen zu setzen und das Land zügig aus der Energieabhängigkeit von Wladimir Putins Russland zu befreien, sollen dieses Jahr 3000 Megawatt (MW) Windkraft zugebaut werden. Nächstes Jahr schon 5000 und 2024 sogar 6000 MW. In der Endstufe von 2027 an, kalkuliert der Grüne mit jährlich 10 000 MW zusätzlich installierter Kapazität. Das entspricht in etwa der Leistung von zehn mittelgroßen Kohlekraftwerken.

RWE baut sogar Windkraft-Anlagen ab

Doch das tatsächliche Ausbautempo bleibt bisher weit hinter den Zielen zurück. Nach jüngsten Zahlen des Bundesverbands Windenergie (BWE) entstanden in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 365 neue Anlagen mit einer Kapazität von 1575 MW. Das ist gerade einmal gut halb so viel wie angestrebt. Selbst der übliche Jahresendspurt von Oktober bis Dezember wird die Vorgabe mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr erfüllen können.

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Spitze der Absurdität. Unweit von Aachen müssen acht Windräder des Essener Energieriesen RWE dem Wegbaggern dreckiger Braunkohle im Tagebau Garzweiler des Konzerns weichen. Klimaaktivisten laufen dagegen Sturm.

Entscheidungsturbo bei den Genehmigungen anwerfen

Schlechter Start also – und der Ausblick macht wenig Hoffnung auf Besserung. Denn zugleich wurden von Januar bis September dieses Jahres gut 16 Prozent weniger Windräder neu genehmigt. Dem BWE-Präsidenten Hermann Albers fällt dafür nur ein Wort ein: “besorgniserregend”. Denn ohne Genehmigungen kein Zubau. Insgesamt schöben die zuständigen Landesbehörden fix und fertig geplante Projekte in der Größenordnung von 10 000 MW vor sich her, beklagt Albers.

“Soll das noch was werden, müssen die Ämter endlich den Entscheidungsturbo anwerfen”, fordert er. Das könnte zudem den dringend benötigten Schwung in die hiesige Windbranche bringen, die derzeit trotz globalem Windkraft-Booms Stellen abbaut.

Der Plan, Zufallsgewinne abzuschöpfen, gefährdet die dringend notwendigen Neuinvestitionen in die Erneuerbaren

Simone Peter, BEE-Präsidentin

Vor allem süddeutsche Bundesländer sieht Albers in der Pflicht, endlich für Tempo zu sorgen. Im schwarz regierten Bayern, im grün-schwarzen Baden-Württemberg und im schwarz-grünen Hessen wurden dieses Jahr bisher jeweils nur fünf Mühlen neu installiert. Obwohl gerade diese industriestarken Länder dringend auf ein größeres Öko-Stromangebot angwiesen sind.

Weniger quälende Bürokratie im Ausland

Sorgen bereiten Albers und weiteren Energievertretern wie dem Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) überdies Pläne der Ampelregierung. Sie will einen Teil der hohen Gewinne abschöpfen, die auch die Windmüller aktuell am Strommarkt einfahren, weil die teuren Gaskraftwerke den Preis für alle Produzenten bestimmen. BEE-Präsidentin Simone Peter geißelt das Vorhaben als “schweren Vertrauensbruch” und warnt, dadurch würden die gerade jetzt dringend notwendigen Neuinvestitionen in die Erneuerbaren gefährdet.

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Wie der vertikale Windrotor funkioniert

Fast überall sonst auf der Welt boomt die Windenergie, quälen die Regierungen die Unternehmen weit weniger mit endloser Bürokratie und ständig wechselnden Rahmenbedingungen. Global wuchs die Windstromproduktion 2021 um 273 Terawattstunden (TWh) – ein Plus von 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Schwimmende Vertikal-Mühlen und Windturbinen fürs Dach

Bei so viel Gegenwind hier zu Lande wundert es nicht, dass Meldungen über spannende Innovationen in der Windtechnologie gegenwärtig vor allem aus dem Ausland kommen. Ein spektakuläres Beispiel sind schwimmende, sich vertikal wie ein Karussel um die eigene Achse drehende Windturbinen des schwedischen Unternehmens SeaTwirl (siehe Video oben). Sie trotzen, versichern seine Entwickler, sogar Hurrikans, lassen sich in fast allen Küstengewässern verankern und sind zudem viel preiswerter zu installieren und zu warten als herkömmliche Offshore-Anlagen.

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Windturbine für Gebäude

Dagegen will das US-Startup Aeromine Technologies die Windstromerzeugung an Land revolutionieren. Und zwar mit einer Konstruktion für Gebäude. Platziert am Rand von Flachdächern leitet sie, vereinfacht gesagt, die Aufwinde entlang des Mauerwerks zu einer Turbine, die den Generator antreibt (siehe Video oben). Die Erfinder versprechen Großes: Energieerzeugung rund um die Uhr, 50 Prozent höhere Stromausbeute bei gleichen Kosten gegenüber einer vergleichbaren Photovoltaik-Anlage, geräuschloser Betrieb. Ende des Jahres soll die Turbine auf den Markt kommen.

Mehr: rnd BEE wdr azocleantech cleanthinking

Dieter Dürand

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