Sollen doch die andern: Die bayrische Windrad-Politik ist gescheitert

In Bayern regiert die CSU gern nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Ganz gleich, ob es um Stromtrassen geht – oder um die Abstandsregeln für Windräder. Die sogenannte 10H-Sonderregel hat den Ausbau der Windkraft brutal ausgebremst.

Windkraft jenseits der bayrischen Grenzen Heiliger Sankt Florian schütz’ unser Haus, zünd’ andre an! (Foto: www.ceus-design.de)

Im zweitgrößten Bundesland wurden im vergangenen Jahr ganze acht Windanlagen gebaut – von 484 in Deutschland. Jetzt belegt ein Bericht des bayrischen Wirtschaftsministeriums, dass die umstrittene Abstandsregel eindeutig die Ursache für das Erliegen des Ausbaus ist. Den Bericht hat das Ministerium vor Tagen still und heimlich im Internet veröffentlicht. Die übliche Pressekonferenz oder -meldung dazu unterblieb. Als im Jahr 2014 die 10H-Sonderregel erlassen wurde, kündigte die Landesregierung an, die Auswirkungen des Gesetzes nach fünf Jahren in einem Bericht festzuhalten. Nun ist die Bewertung als Bericht erschienen – drei Jahre später als geplant.

Die 10H-Sonderregel bestimmt, dass Windräder einen Mindestabstand zu Siedlungsflächen haben müssen, der zehnmal so groß ist wie die Gesamthöhe der Windanlage. In der Praxis heißt das: Eine 200 Meter hohe Windanlage muss zwei Kilometer oder mehr von der nächsten Siedlung entfernt stehen. Eine solche Regelung funktioniert möglicherweise in Skandinavien oder in Texas. In Bayern bleiben gerade mal 1 500 Hektar der Landesfläche als möglicher Standort für Windkraft übrig. Das entspricht, so der Bericht, etwa zwei Zehntel Promille der Landesfläche. Die 10H-Sonderregel ist eine bayrische Besonderheit. In anderen Ländern variieren die Mindestabstände meist zwischen 400 und 1 000 Metern.

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Prohibitive Wirkung

Der Bericht macht aus der quasi prohibitiven Wirkung der Sonderregel kein Geheimnis: „Die Zahlen zum Ausbau der Windenergie machen deutlich, dass dieser deutschlandweit ins Stocken geraten ist. In Bayern ist allerdings ein früherer und stärkerer Einbruch zu verzeichnen. Diese Situation setzte sich über den Berichtszeitraum hinaus fort.“ Tatsächlich brachen die Zahlen der neu installierten Leistung nach dem Erlass des Gesetzes auf rund ein Zwanzigstel ein.

Die bayrische Regierung hatte Kritiker der 10H-Sonderregel seinerzeit auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Gemeinden sehr wohl Windkrafträder genehmigen können. Sie müssen allerdings die Projekte in ihre Bauleitplanung integrieren. Das sollte vorgeblich die Bürgerbeteiligung stärken und garantieren, dass weiterhin Windräder gebaut würden. Zu dumm nur, dass nach 2014 kein einziger dieser Wind-Bebauungspläne mehr gestartet wurde.

Bayerns Regierungschef Markus Söder hatte stets bestritten, dass die Sonderregel den Ausbau der Windkraft verhindere. Doch nun habe sein eigenes Wirtschaftsministerium genau dies bestätigt, kommentiert Richard Mergner, Vorsitzender des Bundes Naturschutz, den Bericht. “Die Quittung bekommen wir jetzt”, sagte er dem Bayrischen Rundfunk, “Bayern ist so abhängig von fossilen Energieträgern wie kein anderes Bundesland.”

Populistische Extrawürste

Traurig aber wahr: Bayern als eines der reichsten Länder der Bundesrepublik gönnt sich gern populistische Extrawürste – vor allem in der Energiepolitik. Was die Bürger anderer Bundesländer hinnehmen müssen, wollen Bayerns Politiker nur zu oft ihren Bürgen nicht zumuten. Zum Beispiel oberirdische Trassen für den Transport des Offshore-Windstroms nach Süden. Die Überlandleitungen Südlink und Südost mussten nach wenigen Demonstrationen aufgebrachter Bayern-Nimbys (Not in my backyard) im Freistaat zum großen Teil unterirdisch verlegt werden. Technisch sind U-Leitungen eine Herausforderung. Der Trassenbau geht deshalb nur langsam voran. Und sie sind etwa zehnmal so teuer wie oberirdische. Was soll’s: Die Verbraucher anderer Länder zahlen ja mit.

Höherwertiges Bundesland

“Wir sind ja nicht irgendein Bundesland”, hatte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer den bayrischen Sonderweg begründet, “wenn es sogenannte Monstertrassen gibt, die quer durch diese schöne Landschaft führen, dann ist es meine Pflicht, so etwas zu verhindern.” Das war im Jahre 2014. Heute jammert sein Nachfolger Markus Söder darüber, dass die Trassen nicht voran kommen: “Wenn wir totalen Überschuss an regenerativer Energie im Norden haben, die aber nicht über Stromleitungen in den Süden kommt, dann stimmt ja das ganze System in Deutschland nicht mehr.“

Ludwig Hartmann zufolge hat aber vor allem die Regierungspartei CSU zu der Verzögerung beigetragen. Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im bayrischen Landtag, sagte dem Bayrischen Rundfunk dazu: „Seit 2014 wurden die Stromleitungen massiv bekämpft. Seehofer hatte damals noch gesagt, man braucht keine Stromleitung in Bayern. Auch Markus Söder war nicht bekannt dafür, das voranzubringen.“

Mehr: BR24, Focus

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