Europas Regierungen setzen als Antwort auf Russlands Gas-Boykott besonders auf den Ausbau der Windenergie. Warum es in der Branche dennoch zum Stellenabbau kommt.
Die Nachricht platzte mitten in die Ankündigung von acht Anrainerstaaten, darunter Deutschland, die installierte Offshore-Windkraftkapazität auf der Ostsee bis 2030 versiebenfachen zu wollen – von 2,8 auf mehr als 19 Gigawatt (GW). Die Anlagen sollen dann 20 Millionen Haushalte mit Strom versorgen, auch in Deutschland, und Dänemark, Polen & Co. unabhängig von russischen Energielieferungen machen. Trotz solch rosiger Marktaussichten gab Jochen Eickholt, Chef von Siemens Gamesa, einem der Großen in der Branche, fast zeitgleich einen massiven Stellenabbau bekannt. 2900 Arbeitsplätze sollen weltweit wegfallen, darunter 300 in den deutschen Produktionsstätten.
Stellenabbau auch in Rostocker Nordex-Werk für Rotorblätter
Dabei hat sich die Bundesregierung nicht nur auf See mit 30 GW bis 2030 ambitionierte Ausbauziele gesteckt. Zugleich soll sich die installierte Leistung an Land von derzeit 57 auf 115 GW verdoppeln.
Dass jedoch eine kräftig anziehende Nachfrage die hiesige Windkraft-Branche nicht automatisch aller Probleme enthebt, zeigte sich schon im Frühjahr. Da kündigte der deutsche Turbinenhersteller Nordex an, in Rostock die Fertigung von Rotorblättern komplett einzustellen. 600 Jobs sind perdu. Beide Entlassungswellen bestätigen eine seit längerem anhaltenden Trend. Trotz Energiewende und hoch fliegenden Klimazielen verabschiedet sich die Windindustrie klammheimlich aus Deutschland. In den vergangenen zehn Jahren gingen rund 60 000 Stellen verloren.
International im Hintertreffen
Was sind die Gründe für den Aderlass? Neben einer fehlerhaften Geschäftsstrategie wie im Fall Siemens Gamesa plagen sich die Unternehmen mit hohen Kosten, gerissenen Lieferketten, Fachkräftemangel und einer lückenhaften Infrastuktur etwa in den Häfen herum. Auch der faktische Ausbaustopp für Meereswindparks unter der alten Bundesregierung brachte die Branche nach Einschätzung der Lobbyververbände international ins Hintertreffen. Umso wichtiger sei es, jetzt ein funktionierendes System zu etablieren, fordern sie, „das im internationalen Wettbewerb um Ressourcen, Fachkräfte und Investoren Hindernisse aus dem Weg räumt“.
Webfehler im neuen Wind-auf-See-Gesetz
Das novellierte Wind-auf-See-Gesetz des Berliner Kabinetts reiße diese Messlatte in einem wichtigen Punkt, monieren die Verbände. Nach dem neuen Ausschreibungsdesign für die Kraftwerke erhalte derjenige Investor den Zuschlag, der den höchsten Preis für die Nutzungsrechte des jeweiligen Aufstellgebiets zahle. Er müsse also erst einmal ordentlich Geld auf den Tisch legen, während die Erlöse viel später fließen. Einer Studie der Beratung NERA Economic Consulting zufolge würde das Höchstgebots-Konstrukt die Strompreise für spätere Abnehmer aus der Industrie um bis zu 21 Euro je Megawattstunde (MWh) in die Höhe treiben.
Überflüssig urteilen die Organisationen. Als Alternative propagieren sie einen Zuschlag nach den niedrigsten Kosten. Auch Kriterien wie die einfache Integration der Windparks ins Stomnetz und die geplante Produktion von sauberem Wasserstoff sollten Berücksichtigung finden. „Da sehen wir dringenden Korrekturbedarf“, schreiben die Verbände.
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