Fahrverbote in München: Der Druck auf Dieselfahrer wächst

Immer mehr Innenstädte sperren alte Dieselautos aus. Fahrverbote gibt es in Berlin, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart. München erweitert jetzt die Verbotszone. Kritiker halten die Fahrverbote für Symbolpolitik, die vor allem ärmere Fahrer trifft.

Autoabgase Fahrverbote jetzt auch in München (Harry Hautumm/Pixelio.de)
Autoabgase Fahrverbote jetzt auch in München (Harry Hautumm/Pixelio.de)

Ab übermorgen will die Stadt München den Zugang zum Gebiet innerhalb des Mittleren Rings für Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und schlechter sperren. Um die Härten der Maßnahme zu dämpfen, erlaubt die Stadt etliche Ausnahmen. So dürfen Krankenwagen, Handwerker, Lieferer, Behinderte oder Pflegedienste weiterhin in das Sperrgebiet fahren. Auch Anwohner können mit ihrem alten Diesel weiterhin nach Hause fahren. Sollte der Grenzwert im Jahresmittel allerdings weiterhin überschritten werden, drohen den betroffenen Anwohnern auch Fahrverbote.

Wer das Verbot ignoriert, zahlt – falls er erwischt wird. Zu Beginn will die Stadt Aktionswochen mit Kontrollen veranstalten, um die Autofahrer zu sensibilisieren. Kontrollen soll es sowohl im fließenden Verkehr wie beim Parken geben. Anders als in Hamburg, wo Erwischte nur 20 Euro zahlen, sollen die Strafen in München 128,50 Euro betragen.

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“Sorgenkind Deutschlands”

Die rot-grüne Rathauskoalition begründet die Ausweitung der bestehenden Umweltzone damit, dass die bisherigen Schritte nicht ausgereicht hätten. Der vorgeschriebene mittleren Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter für Stickstoffdioxid sei überschritten worden. „München ist bei der Luftreinhaltung das Sorgenkind Deutschlands. Nirgends sonst im Land werden so hohe Abgaswerte registriert wie bei uns“, hatte die zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Die Grünen) noch im Oktober festgestellt. Da etwa 40 Prozent der Stickoxidbelastung aus dem Straßenverkehr stammen, erhoffen sich Münchens Stadtmütter und -väter von der Reduzierung des Anteils alter Dieselautos am Straßenverkehr bessere Luftwerte.

Söder haarscharf am Knast vorbei

Überdies hatte der Münchner Stufenplan einem jahrelangen Rechtstreit ein Ende gesetzt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte vom Freistaat eine Verschärfung der Luftreinhaltepläne eingefordert. Als nichts passierte, ordnete das Gericht Zwangsgelder an. Das Land Bayern zahlte zwar die Bußgelder, kassierte sie aber gleich wieder ein, weil es qua Gesetz auch Empfänger der Zwangsgelder ist. Die Regierung störte sich deshalb nicht an diesem absurden Spiel. Zuletzt fragte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof beim Europäischen Gerichtshof sogar nach, ob ein Haftbefehl gegen Ministerpräsident Markus Söder oder andere Mitglieder der Bayrischen Regierung verhängt werden könne oder müsse. Die EU-Richter verwiesen jedoch auf die Zuständigkeit der Einzelstaaten.

Luft wird stetig besser

Doch die Fahrverbote werfen neue Fragen auf. Kritiker verweisen auf die ständige Verbesserung der Luftqualität in München – wie auch in anderen Städten. In München am Mittleren Ring werden die Grenzwerte inzwischen nur noch an einer Messstelle überschritten. Sie verbessern sich stetig. Für andere Städte meldete das Bundesumweltamt schon im vergangenen Jahr, dass die Grenzwerte für Stickoxid an fast allen Messstellen eingehalten würden. Zehn Jahre zuvor meldeten 75 Prozent der Messstellen in etwa 90 Städten noch Überschreitungen. Die Entwicklung wird sich zwangsläufig fortsetzen, da ältere Autos stillgelegt und durch E-Autos und andere emissionsschwache Vehikel ersetzt werden.

Die Münchner Wirtschaft befürchtet, dass mit der möglichen Zurücknahme der Ausnahmeregelungen Unternehmen ihren Fuhrpark auswechseln müssen. Fahrverbote würden vor allem schwächere Betriebe des Mittelstandes mit älterem Fahrzeugbestand treffen.

Fahrverbote treffen Arme

Kritik entzündet sich auch an der sozialen Schieflage der Maßnahmen. Alte Dieselfahrzeuge werden häufig von Geringverdienern oder Rentnern (meist mit geringer Kilometerleistung) gefahren. Da die europäische Automobilindustrie sich aus den unteren Preisklassen zurück zieht, wird der Markt für weniger betuchte Autofahrer zunehmend enger. Dies gilt vor allem für den E-Automarkt. Stromer-Modelle in der Preisklasse unter 40 000 Euro sind selten geworden. Die Reduzierung der Subventionen für E-Autokäufer tut ein Übriges. Nicht jeder Autofahrer hat somit die Mittel, um seinen alten Diesel nach Verschrottung oder ungünstigem Weiterverkauf zu ersetzen. Hinzu kommt, dass der Markt für zukunftsfähige Gebrauchtwagen geradezu leergefegt ist.

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