Breites Bündnis fordert, Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung endlich zu verbieten

Sie sind oft das letzte Mittel, um Menschenleben zu retten: Reserve-Antibiotika. Doch ihr massenhafter Einsatz in Mastbetrieben führt dazu, dass sie nicht mehr wirken und Patienten sterben. Virologe Christian Drosten warnt vor Massentierhaltung.

Antibiotika-Gabe in Schweinemast Resistenzen gehen vom Tier auf den Menschen über Foto: Pixabay

Neun von zehn Hähnchen und Puten erhalten während der Aufzucht vorbeugend Antibiotika gegen mögliche Erkrankungen. Bei Kälbern, Schweinen und Rindern sieht es nicht viel anders aus. Die massenhafte Gabe der Medikamente in der Tierhaltung hat fatale Folgen: Die Tiere bilden Resistenzen gegen die keimtötenden Mittel – mit dem Verzehr ihres Fleisches gehen die Resistenzen auf den Menschen über und die Antibiotika wirken nicht mehr.

Christdemokraten legen sich quere

Einer Studie aus dem Jahre 2019 zufolge werden in der Tiermast weltweit drei Mal mehr Antibiotika verabreicht als in Krankenhäusern und Arztpraxen. Experten schlagen ob dieser Entwicklung seit Jahren Alarm. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bereits den Antibiotikanotstand ausgerufen und warnt vor Millionen Toten jährlich, weil die Medikamente gegen multiresistente Keime wirkungslos werden. Die EU-Kommission nennt die Entwicklung eine “stille Pandemie”.

Doch im EU-Parlament verhallten alle Warnrufe erst jüngst wieder ungehört – zum Entsetzen der Mediziner. Die grüne Fraktion hatte beantragt, zumindest einige Reserve-Antibiotika aus der Tierzucht zu verbannen. Angeführt von den Christdemokraten schmetterte eine Mehrheit das Verbot ab. Die Agrarlobby jubilierte.

Frischluft statt Medikamente

Anlässlich des europäischen Antibiotikatags appellierte ein breites Bündnis jetzt noch einmal an die Politik, das Verbot doch noch auszusprechen. Zu den Unterzeichnern des Statements gehören Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, die Verbraucherzentrale Bundesverband und Germanwatch.

Ungewiss ist, ob die Mahnung dieses Mal auf offene Ohren stößt. Dabei gäbe es praktikable Alternativen zum ausufernden Antibiotika-Einsatz. Im Freien abgehärtete Kälber brauchen zum Beispiel viel seltener eine Antibiotika-Behandlung als solche, die im Stall aufwachsen, fanden Schweizer Forscher heraus.

Fleischkonsum Risiko für künftige Pandemien

Die Massentierhaltung birgt weitere Gefahren. Sie schädigt massiv Umwelt und Klima und begünstigt die Entstehung neuer Pandemien. Darauf macht der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité in der “Zeit” aufmerksam. “Die Tierhaltung bietet ideale Bedingungen für ein Virus, um sich an den Menschen anzupassen.”

Statt auf die Chinesen wegen ihrer Wildtiermärkte mit dem Finger zu zeigen, fährt er fort, sollten wir uns um die Bedingungen etwa in unserer Schweinezucht kümmern. Die Tiere würden in der Natur nie in solchen Herdengrößen auftreten.

Drostens Mahnung: “Eine wachsende Menschheit mit einem wachsenden Fleischhunger: Hier steckt das Risiko für künftige Pandemien.”

Mehr: Spiegel Zeit

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