In Frankreich wehren sich der Staat und der führende Bauernverband mit fragwürdigen Mitteln gegen Kritiker der modernen Landwirtschaft. Eine vor zwei Jahren geschaffene Agrar-Polizei hilft nach Ansicht von Betroffenen vor allem bei der Einschüchterung von Aktivisten und Journalisten.
Demeter, wie die Göttin der Fruchtbarkeit, heißt die neue Gendarmerie-Einheit Frankreichs. Sie wurde vorgeblich mit dem Ziel geschaffen, Bauern gegen Diebstähle von Kraftstoff, Maschinen oder gegen die organisierte Kriminalität zu schützen. Doch nach Ansicht von Vertretern der Umweltinitiativen geht es um etwas anderes. Denn tatsächlich gab es in den Jahren vor der Schaffung der Einheit keine nennenswerte Steigerung von Vieh- und anderen Diebstählen auf dem Land. Emmanuel Louail, Sprecher des alternativen Bauerverbandes Conféderation paysanne kommentiert die Schaffung der Agrarpolizei: „Wir brauchen keine Spezialeinheit, um so etwas bekämpfen.“ Die herkömmliche Gendarmerie reiche aus.
Henri Pandé wertet die Gründung von Demeter als ersten „Schritt zu einem Maulkorb für Vereinigungen wie die unsere“. Der Vorsitzende des Vereins Alerte pesticides (Pestizid-Alarm) im Departement Haute-Gironde erzählt von wiederholten Anrufen der Gendarmen vor einer Versammlung Anfang vergangenen Jahres mit der Bitte um Informationen über Inhalte und Teilnehmer. Ihn habe das an das Vorgehen von Geheimdiensten erinnert. Damit nicht genug: Die Agrar-Flics hätten ihn zu Hause aufgesucht – mit schusssicheren Westen und voll bewaffnet. „Das war unglaublich“, sagt Plandé, „ich hätte nie gedacht, so etwas in Frankreich zu erleben.“
Engagierte Bürger werden denunziert
Ähnliche Erfahrungen machte der stellvertretende Vorsitzende der Fédération Nature Environnement (FNE), Antoine Gatet. Im Januar vergangenen Jahres hatte er Journalisten des Fernsehsenders France 3 ein Interview gegeben – vor einer Anlage mit Glashäusern für Tomatenanbau in einem ursprünglich geschützten Feuchtgebiet. Die Beteiligten hatten die Glashäuser dabei nicht betreten. Nach Ausstrahlung der Sendung, bekam er Besuch von Agrar-Polizisten. Es ging um eine Anzeige wegen Einbruchs.
Gatet, der als Verbandsjurist arbeitet, entdeckt in dem Vorgehen ein Muster: „Man versucht, meinen Ruf anzugreifen, indem man Gendarmen zu mir schickt. Vor allem aber geht die Botschaft an die Freiwilligen unseres Vereins.“ Bei Aktionen in Feld und Flur hätten die Aktivisten nun Angst vor strafrechtlichen Folgen. Gatet geht noch weiter: Die neue Demeter-Einheit legitimiere die weit verbreitete Gewalt auf dem Lande gegen die Kritiker der industriellen Landwirtschaft. „Wir sind zum Ziel geworden“, sagt Gatet.
Massentierhalter verfolgen Journalistin
In der Tat ist die Situation für alle, die an der industrialisierten Landwirtschaft etwas auszusetzen haben, schwierig geworden. So wurde die bretonische Journalistin Margan Large, die eine kritische Dokumentation über die Geflügelhaltung in der Bretagne für den Sender France 5 erstellte, Opfer einer regelrechten Hexenjagd. Zuerst zirkulierte ein Foto von ihr, versehen mit feindseligen Kommentaren, in den sozialen Medien. Dann wurden ihre Pferde und Kühe von der Weide getrieben, der Hund vergiftet. Schließlich entfernte man Bolzen aus ihren Autorädern. Dass es zu keinem Unfall kam, war nur ein glücklicher Zufall.
Die deutsche Journalistin Bettina Kaps, die den Fall recherchierte, wurde am Wohnort von Large, dem bretonischen Dorf Glomel, nach einem Wortwechsel von einem Bauern bis zu ihrem Hotel mit dem Traktor verfolgt. Dort wurde sie von Polizisten gezwungen, die Tonaufnahmen zu löschen. Gegen den Bauern, der die Deutsche vor den Polizisten beschimpfte, unternahmen die Ordnungshüter nichts.
Hass-Kampagne gegen Bürgermeister
Der Bürgermeister von Glomel, Thierry Troël, hatte kurz darauf mit Bezug auf die Ereignisse, einen Appell veröffentlicht, in der er die Vorgänge verurteilte und darum bat, künftig die Gesetze zu respektieren. Schon wenige Stunden darauf erhielt er Besuch der Polizei, die ihm erklärte, dass die deutsche Journalistin Unrecht hatte. Später erschien auch der Bauer, der die Deutsche bedrängt hatte, mit seinem Bruder, der ihm mit Nachdruck riet, den Appell zu widerrufen. Wenn nicht, gebe es Ärger mit dem Bauern-Syndikat. Für den ehemaligen Regional-Abgeordneten Troël handelt es sich nicht um Einzelereignisse. Die Spannungen auf dem Lande nähmen zu. Als grüner Politiker und Bio-Bauer sei auch er – schon vor den Ereignissen – Ziel von Hass-Kampagnen. geworden.
Agro-Informanten arbeiten der Polizei zu
Vor solchen Entwicklungen hatten kritische Bauernvertreter schon bald nach dem Start von Demeter gewarnt. Bei der Gründung hatten der traditionelle, staatsnahe Bauernverband FNSEA, der Jungbauernverband Jeunes agriculteurs mit der Führung der halbmilitärischen Gendarmerie und dem Innenministerium eng zusammen gearbeitet. Die neue Einheit sollte tief in der Bauerschaft verwurzelt sein, um die Beschaffung von Informationen zu vereinfachen. Die FNSEA hatte sich damals offen für ein breites Informanten-System ausgesprochen. „Wir ziehen den Leuten (auf dem Land) eine Uniformmütze an“, kritisierte Emmanuel Louail von der alternativen Confédération Paysanne seinerzeit das Vorgehen.
Das Unbehagen an der neuen Einheit wächst in Frankreich zusehends. Inzwischen fragen sich Politiker, Polizisten und Kenner der Agro-Szene zunehmend, ob Demeter nicht zu einem Instrument im Dienst des mächtigen Bauernverbandes FNSEA im Kampf gegen die wachsende Zahl agrarkritischer Aktivisten geworden ist.
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