Frankreich: Mega-Wasserbecken der Agrarindustrie gefährden Grundwasser

Angesicht der zunehmenden Dürren gehen Frankreichs Landwirte mehr und mehr dazu über, das Wasser für den Sommer in gigantischen – mit Plastik ausgekleideten – Wasserbecken zu speichern. Die Idee scheint einleuchtend. Doch die sogenannten mégabassines sind umstritten. Aus guten Gründen.

Aktivistenplakat Kein weiteres Wasserreservoir mehr! (Bild: Bassines Non Merci)

Die Wasserreservoire bedecken Flächen vergleichbar mit der Größe von zehn bis zwanzig Fußballfeldern. Sie sind bis zu 15 Meter tief. Einige der Becken speichern 240 000 Raummeter oder mehr. Sie haben nichts gemein mit gestauten Bächen oder Fischteichen, die auch Lebensraum für Fische, Insekten, Wasservögel und Pflanzen bieten. Selbst Schifffahrtskanäle sind im Vergleich zu den Agrar-Großwannen ökologische Nischen. Die stehenden Gewässer leiden unter Befall von Mikroalgen und Bakterien. Der Boden und die Uferhänge der Becken sind überdies gänzlich mit Plastik ausgekleidet. So soll der Wasserverlust durch Versickerung vermieden werden.

Doch nicht nur die Bassins selbst und ihr Inhalt sind ökologische Problemfälle. Ihr Betrieb wirkt sich auch auf die Umgebung aus. In Gegenden, wo sich mehrere Becken befinden, beginnt die Austrocknung im Sommer früher als in vergleichbaren Gegenden. Die Bäche und Flüsse des Umlandes verwandeln sich sommers häufig in Rinnsale. Denn das Wasser in den Speichern stammt in der Regel nicht aus Bächen oder Regenfällen. Große Pumpen fördern – meist im Winter – Grundwasser in die Becken. Die Folgen: Der Grundwasserspiegel sinkt, Moore und Gewässer in der Umgebung trocknen aus.

Angriff auf die Grundwasservorräte

Nur ein Teil des abgepumpten Grundwassers gelangt auf die Felder. „20 bis 40 Prozent des Wassers verdunsten“, schätzt Christian Ambland. Der langjährige Experte für Wasser und hydrobiologische Systeme am Centre national de la recherche scientifique ist wie die meisten Wasserfachleute dafür, die Versiegelung und den schnellen Wasserabfluss zu begrenzen.

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Bassines – Non Merci! Demonstranten am Rande eines Wasserreservoirs (Video: https://bassinesnonmerci.fr)

Um die Wasserressourcen gut zu bewirtschaften, müsse man im Gegenteil sicherstellen, dass hinreichend Wasser in den Boden eindringe. Es gehe darum, die Schaffung von Feuchtgebieten fördern. Denn diese funktionierten wie Schwämme und stabilisierten den Grundwasserpegel. Das Problem: Die Megabecken für die Landwirtschaft haben den gegenteiligen Effekt. Sie bringen so gut wie kein Wasser in den Boden. Sie holen es daraus hervor.

Rotes Tuch für Marktwirtschaftler

Doch nicht nur ökologisch, auch ordnungs- und agrarpolitisch sind die Becken ein Skandal. Nur 30 Prozent der Errichtungskosten werden von den landwirtschaftlichen Kooperativen getragen. Der Rest des Geldes kommt aus öffentlichen Kassen. Deutsche Steuerbürger zahlen mit. Denn ein Teil des Geldes kommt aus dem EU-Haushalt.

Nutznießer sind so gut wie nie kleine Landwirte. Nur vier Prozent der Betriebe profitieren. Und in der Regel geht das Wasser in die Bewässerung von Futterpflanzen oder in den Anbau von Gewächsen für Bio-Sprit.

Staat und Agrarlobby Seit an Seit

Dennoch steht das französische Landwirtschaftsministerium ebenso wie der staatsnahe Bauernverband FNSEA hinter der Idee, die Republik mit tausenden dieser Wasserbecken zu überziehen. Rund tausend sind bereits installiert. Wenig erstaunlich, dass der Widerstand wächst. Die Öko- und Kleinbauerninitiative Confédération paysanne spricht von einen „Krieg um das Wasser“. Der Kampf sei eine nationale Herausforderung – nicht nur für die Landbevölkerung. Öko-Bauern und -Aktivisten werden nicht müde, auf umweltfreundlichere Alternativen hinzuweisen.

Bassines – Non Merci!

Auf der Internetseite der Initiative „Bassines Non Merci“ finden sich in jeder Woche Ankündigungen für mehrere Aktionen an verschiedenen Orten: Nachtwachen, Spaziergänge, Bildungscamps. Aktivisten demontieren Pumpen, blockieren tagelang Wasserbecken. Gegen den Sprecher der Confédération paysanne, Nicolas Girod, wurde nach einer Pumpendemontage wegen schweren Diebstahls ermittelt. Dies, obwohl – oder weil – er versucht hatte, ein Pumpenteil in einer spektakulären Aktion dem Landwirtschaftsminister zu übergeben.

Möglicherweise signalisieren die Auseinandersetzungen um die Wasserreservoire das Ende der Jahrzehnte währenden, bedingungslosen Unterstützung des Agrarkomplexes durch breite Schichten der Bevölkerung. Lange Zeit war eine geradezu romantische Verherrlichung des Bauernstandes in Frankreich Volksreligion. Die agrarisch-industriellen Interessengruppen wussten das auszunutzen. Ganz gleich, wie unverschämt die Forderungen der Lobbyisten waren – kein Politiker wagte es, sie offen in die Schranken zu weisen.

Der Umfang der Mobilisierung, die Zahl der Sympathisanten, die Aktionsformen und die enorme emotionale Besetzung des Themas erinnern an die Anti-AKW-Bewegung in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Deutschland. So zum Beispiel im März, als bei La Rochénard im westfranzösischen Departement Deux-Sèvres über 5000 Aktivisten gegen den Bau eines Reservoirs demonstrierten. Schwaden von Tränengas waberten durch die Luft. Hubschrauber kreisten über der Szene. Polizisten im Kampfdress und vermummte Demonstranten lieferten sich Scharmützel.

Aufruhr nach Todesopfer

Unvergessen – nicht nur unter den Aktivisten – ist der Tod von Rémi Fraisse vor acht Jahren. Der 21-jährige hatte gegen ein Projekt bei Sivens im südfranzösischen Departement Tarn demonstriert. Eine Schockblendgranate, aus der Nähe abgefeuert, zerfetzte den Rücken des Biologiestudenten.

Das Projekt bei Sivens ist zwar kein klassisches Großbecken, sondern ein Kleinstauwerk eines Nebenflusses des Tarn. Die möglichen ökologischen Schäden wären im Vergleich zu den mégabassines zwar geringer ausgefallen. Aber viele Elemente wie die Bevorzugung von produktivistischen Großbauern, die Verwendung des Wassers vornehmlich für den Anbau von Futter- und Treibstoffpflanzen, die Planung von oben ohne Einbeziehung der Bürger und die Finanzierung des Projektes mit öffentlichen Geldern ähnelten der aktuellen Politik um die mégabassines.

Nach dem Tod von Rémy Fraisse gab es in verschiedenen Städten Frankreichs Unruhen mit zerstörten Bankautomaten, Säurebomben und Pflastersteine auf Polizisten und brennenden Mülltonnen. Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel sprach vom „Showdown der französischen Stadtguerilla“. Das Sivens-Projekt wurde aufgegeben.

Französische Aktivisten kämpfen auch für Deutschland

Ob die Anti-Mégabassines-Aktivisten den geplanten Ausbau der Wasserbecken ebenfalls kurzfristig stoppen, ist fraglich. Vermutlich werden bis zur Aufgabe der Projekte noch viele Aktionen stattfinden. Wahrscheinlich wird es zu Ausschreitungen kommen – leider. Doch so gut wie sicher ist, dass die Umweltkämpfer den agrarisch-industriellen Komplex bei der Realisierung seiner Pläne letztlich ausbremsen werden. Und sie werden Agrarvertreter und -politiker in anderen Ländern davon abhalten, dem französischen Beispiel zu folgen. Deutschen Umweltschützern und Marktwirtschaftlern kann das nur recht sein.

Mehr: Le Monde

Lothar Schnitzler/Frankreich

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