EDF verschiebt Neustart von fünf AKW wegen Streiks

Seit Monaten ist Frankreich gebeutelt vom Ausfall vieler AKW seines überalterten Atomparks. In den kommenden Wochen wollte der Versorger EDF zehn der ausgefallenen Kraftwerke wieder auf Vordermann bringen. Doch daraus wird nichts. Der Winter könnte hart werden.

AKW in Frankreich Streiks verhindern Neustart (Gabi Schoenemann/Pixelio)
AKW in Frankreich Streiks verhindern Neustart (Gabi Schoenemann/Pixelio)

Seit Monaten ist fast die Hälfte des französischen Atomparks abgeschaltet. Die meisten inaktivierten Reaktoren fielen wegen Korrosionen – auf gut deutsch: wegen Rosts – aus. Für andere AKW reichte das Kühlwasser nicht. Noch vor wenigen Tagen hatte Staatspräsident Emmanuel Macron in einem Interview mit dem Fernsehsender France 2 versprochen: „Heute sind wir bei 30 von 56 Reaktoren, die laufen. In den kommenden Wochen werden wir auf etwa vierzig gehen. Das Ziel ist es, im Januar auf fünfundvierzig zu kommen.“

Sein Versprechen wird der Präsident nicht halten können. Denn Frankreichs Atomwirtschaft ist in den Strudel der sozialen Auseinandersetzungen geraten. In unserem Nachbarland breitet sich seit gut einer Woche eine Streikbewegung aus. Betroffen waren bis jetzt vor allem die Raffinerien. Sie werden von Streikenden blockiert. Inzwischen ist vielen Tankstellen der Sprit ausgegangen. Sie sind entweder mangels Kraftstoffversorgung geschlossen. Oder die Autofahrer müssen stundenlang warten, bis sie tanken können. Vereinzelt kam es zu Gewalttätigkeiten genervter Kunden. Die Polizei musste eingreifen.

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Ausgleich für die Inflation

Vom Versorger EDF fordern nun die Beschäftigten fünf Prozent mehr für das laufende und das kommende Jahr. Die Gewerkschafter wollen damit die Inflation zumindest teilweise ausgleichen. Inzwischen sind fünf Reaktoren betroffen, die in den vergangenen Wochen abgeschaltet waren. betroffen. Für die Reaktoren Cattenom 1, Cruas 2 und 3, Saint-Alban 2 und Tricastin 3 verschiebt sich der Neustart um bis zu drei Wochen.

Der Streik kommt zu Unzeit. Frankreich, das stets stolz auf seinen – vorgeblich – günstigen und sicheren Strom aus seinen Kernkraftwerken war, importiert ohnehin seit Monaten mehr Strom als es exportiert – vor allem aus Deutschland. Im Winter könnte der Strom noch knapper werden. Denn in Frankreich heizen viele Haushalte wegen des günstigen Strompreises elektrisch. Schon in der Vergangenheit, als Frankreich übers Jahr gesehen noch Nettoexporteur von elektrischer Energie war, musste unser Nachbarland im Winter stunden- oder tageweise Strom importieren. Hinzu kommt, dass auch die Wasserkraftwerke nach dem trockenen Sommer und Herbstbeginn nur noch auf Sparbetrieb laufen. Auch die Tatsache, dass der Streik just zur Zeit der Wiederverstaatlichung der EDF stattfindet, kommt der Regierung ungelegen.

Lieber Streit als Konsens

Nun droht sich der Streik auszuweiten. Betroffen ist, neben den bereits erwähnten Reaktoren, davon auch Frankreichs größtes AKW, Gravelines. Auch die AKW Belleville sur Loire, Bugey, Dampierre-en-Burly und Paluel werden teilweise bestreikt. Ein erstes Gespräch zwischen den EDF- und Gewerkschaftsbossen soll am Dienstag stattfinden. Dass die beiden Parteien dann bereits einen Accord finden, ist unwahrscheinlich. In Frankreich ist die Kultur der Sozialpartnerschaft kaum entwickelt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden meist erst nach Streiks, nach Blockaden oder gar nach Sabotagen oder Gefangennahmen von Führungskräften eine Übereinkunft. Für Frankreichs Gewerkschaften sind Streiks nicht – wie in Deutschland – letztes Mittel, wenn Gespräche scheitern. Die Reihenfolge läuft umgekehrt: erst Streiks, Demonstrationen oder Blockaden, dann Gespräche.

Versorgung gefährdet

Verschlimmert wird die Lage auch dadurch, dass am Dienstag ein frankreichweiter, branchenübergreifender Streik geplant ist, der die Wartungsarbeiten in allen betroffenen AKW beeinflusst. Der Netzbetreiber RTE hatte bereits im September von einem erhöhten Versorgungsrisiko gesprochen. Allerdings seien die Risiken beherrschbar. Ob Letzteres auch unter den Bedingungen der aktuellen Streikbewegung gilt, ist fraglich. Das Land steht möglicherweise vor einem „heißen Winter“ mit Abschaltungen, kalten Wohnungen und sozialen Unruhen.

Mehr: Le Monde

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