In China wird nach Supersommer das Wasser knapp

China verfügt nur über sechs Prozent der globalen Wasserreserven. Und diese sind über das Land ungleich verteilt. Können gigantische Umleitungen das Problem lösen?

Schiffe auf dem Jangtsekiang Niedriger Wasserstand nach heißem Sommer in China (Dieter Schütz/Pixelio.de)
Schiffe auf dem Jangtsekiang Niedriger Wasserstand nach heißem Sommer in China (Dieter Schütz/Pixelio.de)

Vor allem im Norden von China mangelt es an Wasser. Auf die Region entfallen nur vier Prozent der Wasserreserven des Landes. Doch hier lebt ein Viertel der Bevölkerung. Die Nordprovinzen bedienen sich daher seit Jahrzehnten der Grundwasser-Reserven. Fast nirgendwo auf der Welt ist der Raubbau an den unterirdischen Wasservorräten schlimmer. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Grundwasserspiegel um 20 Meter gesunken – an manchen Stellen sogar um 40 Meter.

Während des vergangenen Hitzesommers hat sich die Lage noch verschärft. Seit Beginn der Aufzeichnungen vor sechzig Jahren hatte es noch nie so einen trockenen Sommer gegeben. Selbst in der flussreichen Provinz Sichuan wurde zum Sommerende die Wasserversorgung in weiten Teilen täglich mehrere Stunden gesperrt. Fabriken stellten ihre vorübergehend Produktion ein.

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Angst vor dem Winter

Nicht nur in Sichuan – mit über 80 Millionen Einwohnern so groß wie Deutschland – stotterte die Produktion. In vielen Provinzen mangelte es an Strom, weil Wasserkraftwerke ausfielen. Zusätzlich gerieten die Lieferketten durcheinander, weil viele Flüsse abschnittweise nicht mehr schiffbar waren. In Chinas längstem Fluss, dem Jangtsekiang fiel der Pegel auf den niedrigsten Stand seit 150 Jahren.

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Jangste-Fluss Der größte Strom Asiens trocken wie selten zuvor (Quelle: China Macro Economy)

Der Winter könnte für China schwierig werden. Denn auch der Herbstanfang bescherte den meisten Provinzen nur wenig Regen. Sichuan, dessen Strom zu 80 Prozent von Wasserkraftwerken stammt, stellt sich auf geringere Stromerträge um bis zu einem Drittel ein. Auf Stromlieferungen anderer Provinzen kann sich die Provinz nicht verlassen. Denn etliche Flüsse bleiben möglicherweise nur eingeschränkt schiffbar. “Die Situation in der Energieversorgung ist finster angesichts der Nachfragespitzen im Winter”, heißt es in einem Report der Provinzregierung.

Erdacht von Mao

Bislang gehörte die im Südwesten gelegene Provinz keinesfalls zu den Problemzonen. Diese liegen seit jeher im Norden Chinas. Schon Mao Tse-tung verfolgte daher Pläne, Wasser vom Süden in den Norden umzuleiten. Seine Nachfolger an der Partei- und Staatsspitze haben das Projekt weiter verfolgt. Über drei Wege sollen bis zum Jahre 2050 jährlich bis zu 50 Millionen Kubikmeter Wasser nach Norden gebracht werden.

Zwei Routen sind bereits fertig. Die östliche Route leitet Wasser von Yangzhou (unweit von Nanjing) nach der Hafenstadt Tianjin, östlich von Peking gelegen. Chinas Ingenieure nutzten dazu auch den längsten und ältesten Kanal der Welt, den Kaiserkanal. Die mittlere Route beginnt am Danjiangkou-Stausee in der Provinz Hubei und bringt Wasser vor allem nach Peking. Seit 2014 fließt das Wasser durch die beiden Routen. Weil es bis zu 15 Tagen unterwegs ist, hält sich die Qualität in Grenzen.

Die Weststrecke ist noch in der Planung. Der Plan ist kühn. Der Jangtse soll über die Qinghai-Hochebene mit dem Gelben Fluss, der Nordchina mit Wasser versorgt, verbunden werden. Das Projekt soll 17 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich in den Norden transportieren.

Heftige Kritik

Kritiker halten der Regierung vor, das von weither transportierte Wasser sei zu teuer. Zu viel Wasser würde auf den langen Wegen von bis zu 1432 Kilometern verdunsten und versickern. Für die bisherigen Projekte wurden über 380 000 Menschen umgesiedelt. Die Erzählung, nach der es darum gehe, Nordchina zu versorgen, trifft nur bedingt zu. Denn das Wasser der beiden fertig gestellten Projekte geht zu zwei Drittel nach Peking.

Ob das Westprojekt je zustande kommt, ist fraglich. Der vergangene Sommer hat gezeigt, dass der Jangtse keinesfalls unerschöpfliche Wassermengen bereit hält. Zusätzlich denken Politiker und Wasser-Experten mehr und mehr darüber nach, die örtlichen Reserven schonender einzusetzen. Die chinesische Industrie verwendet nur zu 40 Prozent wiedergewonnenes Wasser. In Europa ist die Quote doppelt so hoch. Der ehemalige Leiter der Wasserprojekte mahnte schon vor zehn Jahren: Umleitung sei nicht die Lösung. Es gehe viel mehr darum, die örtlichen Wasservorräte schonend zu nutzen.

Mehr: Le Monde

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