Allein die Probebohrung kostet 40 Millionen Euro. Wird sie fündig, sollen 40 000 Haushalte von der tiefen Geothermie profitieren.
Dazu soll eine Bohrung 4 500 Meter tief in die Erde getrieben werden. Die Probebohung verläuft anschließend horizontal durch den Granitsockel. Dieser Grantisockel durchzieht weite Teile des Thüringer Beckens. Die Bohrung ist nicht nur für Erfurt von Belang. Sollte die Testbohrung auf Schichten mit großer Wärmeenergie stoßen, könnten viele Städte und Gemeinden in Thüringen ihre Wärmeversorgung für die Heizungen und Warmwasser per tiefer Geothermie sichern. Erfurt erhofft sich von dem Projekt eine zuverlässige Wärmeversorgung, die nicht von Wind oder Sonnenschein abhängig ist, sondern immer zur Verfügung steht. Und das zu günstigen Preisen und ohne nennenswerten CO2-Ausstoss.
Die SWE Energie, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Erfurt, will, falls sich die Erwartungen der Geologen erfüllen, Wasser in das Gestein der Tiefen einleiten. Dort soll es sich auf 180 Grad erwärmen. Ob dazu die natürlichen Klüfte und Poren des Gesteins genutzt werden oder ob eine Herstellung unterirdischer Wärmetauscher notwendig ist, soll – neben anderen offenen Fragen – die Probebohrung klären. In beiden Fällen erübrigt sich der energie- und kostenträchtige Einsatz von Pumpen. Da heißes Wasser leichter ist als kaltes, steigt das in den Tiefen erärmte Wasser selbständig nach oben.
Bundeskanzler fasziniert von Geothermie
Die Stadtwerke hoffen, wie Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, auf unterstützende Bundesmittel für das Projekt. Gleichzeitig mit dem Förderantrag an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz schickten sie einen Begleitbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Erst vor einer Woche hatte Scholz in Begleitung von Bayerns Regierungschef Markus Söder und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger die Geothermiebaustelle in Geretsried südlich von München besucht. Oberbürgermeister Bausewein hatte seinerseits in einem Vorgespräch mit Scholz das Erfurter Vorhaben erläutert. Bausewein: „Der Kanzler war sehr gut informiert und versprach Unterstützung.“
Auch wenn sich die Probebohrung hinsichtlich der Pläne der Stadtwerke als Flop erweisen sollte – ganz vergebens wird sie nicht sein. „Wenn der Granit unter unseren Füßen sich nicht für Geothermie eignet, so verrät uns die Bohrung wenigstens, wie der Boden unseren Füßen genau aussieht und wie wir mit anderen Methoden seine Energie nutzen können“, sagt SWE-Energie-Chef Karel Schweng.
Unendliche Energiequelle
Tatsächlich ist die tiefe Geothermie eine unterschätzte Energiequelle. Unter tiefer Geothermie verstehen Fachleute jene Erdwärme, die aus Tiefen von mehr als 400 Metern stammt. Es gibt in Deutschland nur 43 Anlagen dieser Kategorie. Nur ein Promille des Energieverbrauchs in Deutschland deckt die tiefe Erdwärme. Dabei gehen selbst konservative Schätzungen davon aus, dass ein Viertel des deutschen Wärmebedarfs durch diese Technik zu decken sei. Immerhin stieg die Wärmeabgabe der Geothermie-Anlagen in den Jahren zwischen 2018 und 2021 um 32 Prozent auf 1 189 Gigawattstunden.
Insgesamt stellt die Erde ein unerschöpfliches Potential an Energie zur Verfügung. Denn 99 Prozent ihrer Masse sind heißer als tausend Grad Celsius. Allein die obersten zehn Kilometer bergen ein Potential von 278 Milliarden Terawattstunden. Das ist rund hunderttausendmal mehr Energie als die Menschheit braucht. Der Bostoner Geo-Erschließer Quaise will sogar die Energien in Tiefen bis zu 20 Kilometer erschließen. Sollte das gelingen, könnten mit dem 500 Grad heißen Dampf auch Elektrizitätswerke – ohne zusätzliche Wärmepumpen – betrieben werden.
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