Wenn Preise schädliches Verhalten wie fossilen Energieverbrauch eindämmen sollen, müssen sie zwangsläufig steigen. Die so genannte “grüne Inflation” ist weniger dem Klimaschutz, sondern dem Klimawandel anzulasten. CO2-Bepreisungen und andere Umweltabgaben wirken auf die Dauer sogar inflationsdämpfend.
Das ist die Einschätzung des Präsidenten des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin. In einem ganzseitigen Gastkommentar im Düsseldorfer Handelsblatt wagt Marcel Fratzscher die These: “Ein gewisses Maß an grüner Inflation ist richtig und notwendig.” Sie spiegele nur die Anpassung relativer Preise wider. Damit würden Anreize für Innovationen und alternative, in der Konsequenz klimaneutrale, Wirtschaftsprozesse gesetzt.
Fratzscher wendet sich damit gegen die Kampagne von Politikern, Lobbyisten und Unternehmenschefs, nach der die jüngsten Preissteigerungen für Gas, Strom oder Treibstoff vor allem Folge von Umweltabgaben seien. Der Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität weist zum einem darauf hin, dass die jüngsten Preissprünge auch coronabedingt seien. So habe die Teilschließung eines großen chinesischen Hafens im Sommer die Lieferketten durcheinander gebracht. Ein anderer Grund sei die überraschende Erholung der Wirtschaft und die damit verbundene Nachfrage nach Rohstoffen.
Inflationäre Auswirkungen sind zu vernachlässigen
Darüber hinaus rechnet Fratzscher vor, dass die CO2-Bepreisung höchstens zu 0,5 Prozent zur Inflationsrate beitragen würde. Bezogen auf die Rate der vergangenen zwanzig Jahre von 1,4 Prozent würden die Abgaben folglich zu einer Preissteigerung von 1,9 Prozent führen. Das liegt weit unter der Durchschnittsrate von 3,1 Prozent während der Jahre 1957 bis 1998, also vor der Einführung des Euros.
Wichtiger ist Fratzscher jedoch der Hinweis auf die tatsächlichen Ursachen der Verteuerung. Der Klimawandel, nicht der Klimaschutz durch Umweltabgaben treibe die Preise. So sei Holz wegen der immer häufigeren Waldbrände und des Schädlingsbefalls teurer geworden. Und die niedrigen Wasserstände in den Talsperren nach regenarmen Zeiten hätten zum Beispiel in China die Erzeugung von Strom gedrosselt. Es sei dadurch zu Fabrikschließungen und zu Störungen in den Lieferketten gekommen. Fratzscher im Handelsblatt: “Kurzum, nicht der Klimaschutz ist die Ursache für Inflation und ein Problem für die Wirtschaft, sondern der Klimawandel.”
Langfristig senke der Klimaschutz Energiepreise, weil nachhaltige Energien günstiger seien als Öl, Kohle oder Gas. Und er sichere Lieferketten und Grundversorgung. Die Beschwörung einer schädlichen “grünen Inflation” sei “zynisch und falsch”.
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