Gewaltige Aufgabe – eine grüne Industrie aufzubauen, kostet mehr als 40 Milliarden Euro

Und das betrifft allein die Umstellung der besonders schmutzigen Stahl-, Zement- und Aluminiumproduktion auf Klimaneutralität. Steigende Energiepreise kommen noch obendrauf beim Umstieg auf eine grüne Industrie. Die Pläne der Regierung.

Arbeiter in Schutzanzug beim Stahlabstich am Hochofen
Stahlabstich am Hochofen Aufbau einer grünen Industrie verschlingt mehr als 40 Milliarden Euro
Bild: Bundesarchiv CC-BY-SA 3.0

Schon im Wahlkampf ließ Olaf Scholz keinen Zweifel an der Fallhöhe der Aufgabe. Die Transformation in eine grüne Industrie stelle die deutsche Wirtschaft vor die größte Herausforderung ihrer Geschichte, erzählte der Neu-Bundeskanzler bei jedem Auftritt. Ein Preisschild für das Ziel, die Industrie und das ganze Land, wie gesetzlich verankert, in den nächsten 25 Jahren auf Klimaneutralität zu trimmen, nannte er allerdings nicht.

Kostennachteile im internationalen Wettbewerb

Eine aktuelle Studie der Denkfabrik Agora Energiewende gibt nun eine erste Vorstellung der Dimensionen. Das Papier bezieht sich auf das Vorhaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, bis zum Sommer Klimaschutzverträge auf den Weg zu bringen, die Investitionen in klimaschonende Produktionstechnologien finanziell absichern sollen. Mit dem Instrument will die Regierung verhindern, dass hiesige Unternehmen Kostennachteile im internationalen Wettbewerb mitschleppen.

Finanzieller Kraftakt

Die Berliner Agora-Experten haben überschlagen, wieviel Geld der Bund allein für ein Angebot an grünem Stahl, Aluminium und Zement einplanen muss, um den Unternehmen gegebenenfalls zur Seite zu springen: Im ungünstigsten Fall könnten 43 Milliarden Euro auflaufen, im günstigsten summieren sich die Kosten auf zehn Milliarden Euro. Auf jeden Fall ein finanzieller Kraftakt.

280 000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Dennoch treibt Frank Peter, Direktor der Abteilung Agora Industrie, zur Eile. „Nur so kann sich Deutschland auf einem global wachsenden Markt für klimafreundliche Produkte aufstellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industriestandorte langfristig erhalten.“ Immerhin stehen allein im Grundstoffsektor rund 280 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Wie teuer es am Ende wird, hänge stark von der Ausgestaltung der Carbon Contracts for Difference (CCfD) genannten Verträge ab, und dem Tempo der Umsetzung. „Die Zahlung fällt umso geringer aus, je erfolgreicher der Aufbau von Infrastrukturen voranschreitet, je schneller die Kosten für erneuerbaren Strom und Wasserstoff gesenkt werden und je konsequenter die Reform der CO₂-Bepreisung und der Aufbau grüner Leitmärkte umgesetzt werden“, sagt Peter.

Preisspirale bei den Energieausgaben

Gerade der Emissionshandel spült nähmlich auch Einnahmen in die Staatskasse. Stolze 12,5 Milliarden Euro waren es laut Umweltbundesamt im vergangenen Jahr. Auf Seiten der Industrie und der Verbraucher sind das allerdings Kosten. Obendrauf kommen aktuell die galoppierenden Energiepreise, die zudem die Inflationsrate in lange nicht mehr gesehene Höhen treiben.

Die Preisspirale bringt vor allem Geringverdiener in die Bredouille. Zwar hat die Ampelkoalition jüngst beschlossen, Wohngeldbezieher mit einem Heizkostenzuschuss vor einer kalten Wohnung zu bewahren. Doch dem niedersächsischen Energieminister Olaf Lief (SPD) geht das nicht weit genug. “Es muss Erleichterungen auch für breitere Bevölkerungsgruppen geben”, fordert er.

Vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage

Im Visier hat Lies eine frühzeitige Streichung der Umlage nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG), mit der die Einspeisevergütungen für Wind- und Sonnenstrom finanziert werden. Würde sie zur Jahresmitte wegfallen, könnte das die Bundesbürger für den Rest des Jahres um mehr als sechs Milliarden Euro entlasten. Allerdings nur, wenn die Stromanbieter die Entlastung an ihre Kunden weiterreichen.

Experten halten das für zweifelhaft. Denn obwohl die EEG-Umlage zu Beginn des Jahres von 6,5 Cent je Kilowattstunde (kWh) auf 3,72 Cent sank, konnte die Maßnahme den Preisauftrieb nicht aufhalten.

Einbau einer sparsamen Heizung

Auch deshalb verkündet Habeck. “Die Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen.” Die “Wirtschaftsweise” Monika Schnitzler sieht in den stark gestiegenen Energiepreisen sogar die beste Werbung für ein Forcieren der Energiewende. “Sie bietet die Chance, sich weniger abhängig von Gas- und Ölimporten zu machen.”

Ganz wehrlos sind die Verbraucher dem Kostenschub jedenfalls nicht ausgeliefert. Würden sie die Möglichkeiten zum Energiesparen ausschöpfen, meldete das Berliner Beratungsunternehmen Energy Brainpool jüngst, würde das nicht nur dem Klima helfen, sondern auch den Geldbeutel schonen. Als ein Beispiel nennen die Experten den Einbau einer sparsamen Heizung.

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Von Dieter Dürand

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