Knatternde Motorroller und dröhnende Motorräder überziehen seit Jahrzehnten Frankreichs Städte und Landschaften mit einem unerträglichen Lärmteppich. Jetzt soll in Paris und sieben weiteren Städten ein Messgerät namens Qualle den Lärm eindämmen. Klar ist: Nach und nach soll die Qualle überall im Lande den Krachmachern das Leben schwer machen.
Die Méduse, so der französische Name für die Lärmmess-Qualle, misst mehrmals pro Sekunde in mehrere Richtungen das Volumen des Lärms. Zu Zeit sind Experten des Lärmschutzverbandes Bruitparif und das Verkehrsministerium dabei, den Prototypen zu optimieren. Es gehe darum, die Technik für das Aufspüren einzelner Quellen von Motorenlärm und die Identifizierung der Fahrer zu perfektionieren, erklärt die Chefin von Bruitparif, Fanny Mietlicki. Das Messgerät wird dazu mit einem Gerät für das Lesen des Kennzeichens und einer speziellen Kamera ausgerüstet.
Neben der Méduse sind zwei weitere Geräte im Test. Sie müssen jedoch, falls sie sich als tauglich erweisen, noch ihre Zulassung bekommen. Es dürfte daher noch gut ein Jahr dauern, bevor flächendeckend die Geräte zum Einsatz kommen. „Lärmknöllchen“ wird es in den acht ausgewählten Städten jedoch schon ab dem kommenden Jahr geben. In Nizza, wie die meisten Städte des Südens vom hochtönigen Lärm der Zweitakt-Motorroller geplagt, will die Polizei in der Anfangsphase sich auf die erzieherische von Leuchttafeln verlassen, die rot aufleuchten, wenn der Motorenlärm mehr als 90 Dezibel beträgt.
Auf dem Land wurden an beliebten Motorradstrecken wie dem Schluchtpass im Elsass oder keine 30 Kilometer westlich von Paris an der route des 17 tournants (Straße der 17 Kurven) bereits solche Leuchttafeln installiert. Für den Schluchtpass wurde zusätzlich die Höchstgeschwindigkeit an Sonn- und Feiertagen auf 60 Stundenkilometer beschränkt.
Die Maßnahmen sind überfällig. Motorräder emittieren in der Regel serienmäßig ein Standgeräusch von 95 Dezibel. Bereits ein Geräuschpegel von 85 Dezibel kann bei längerem Einwirken zu Hörschäden führen. Ein Motorrad, das nachts Paris mit einem getunten Auspuff durchquert, weckt nach Angaben des Lärmschutzvereins Bruitparif bis zu 11 000 Menschen auf.
Macron hat Angst vor der Straße
Inzwischen gibt vielerorts Initiativen gegen Motorradlärm. Dennoch kassierte Staatspräsident Emanuel Macron ein Dekret über Einführung einer regelmäßigen technischen Überprüfung von Motorrädern – nur einen Tag nach der Verkündung. Der Präsident befürchtete Massendemonstrationen von aufgebrachten Motorradfahrern.
Auch in Deutschland machen sich Politiker Gedanken über Motorenlärm. Zwar ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erwartungsgemäß gegen Verschärfungen. Er ist der Meinung, dass die bestehenden Regelungen ausreichen. Der Bundesrat sieht hingegen „dringenden Handlungsbedarf“ und hat die Bundesregierung gebeten, „die hierzu einschlägigen Regelungen anzupassen“.
Technisch geht es auch leiser
Vor allem das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg prescht vor. So traf sich vor wenigen Tagen die Staatssekretärin des Ministeriums für Verkehr, Elke Zimmer (Die Grünen), mit Experten für Schalldämpfung. Zimmer betonte anlässlich des Treffens: „Die Hersteller sind nun dran, leisere Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Es ist doch absurd, wenn wir als Gemeinschaft auf der einen Seite horrende Summen für Lärmschutzmaßnahmen ausgeben. Auf der anderen Seite wird völlig unnötig Lärm erzeugt, indem Hersteller laute Sounddesigns verbauen.“ Technisch gäbe es keinen Zweifel: „Motorradfahren geht auch leiser.“
Sie verwies auf eine Studie (PDF) des Umweltbundesamtes, die belegte, dass fabrikneue Motorräder und Sportwagen unnötig laut sind. Die Fahrzeuge erfüllen demnach zwar formal die rechtlichen Voraussetzungen. Die gesetzlichen Lärmgrenzwerte werden jedoch nur innerhalb der abgeprüften Fahrmodi eingehalten. Auf der Straße sind die Fahrzeuge deutlich lauter.
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