Bereits im Mai hatte der französische Rechnungshof einen vernichtenden Bericht über die Ursachen der Algenpest veröffentlicht. Vor wenigen Tagen verdonnerte nun das Verwaltungsgericht in Rennes die Behörden zum Handeln. Fast fünfzig Jahre lang war es der Agrarlobby Frankreichs gelungen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Algenpest zu hintertreiben und die Folgen in der öffentlichen Debatte herunter zu spielen.
Erst in den vergangenen Jahren kam die Diskussion über die mögliche Ursachen in Gang. Dazu bedurfte es mehrerer Todesfällen von Menschen – und von etlichen Haus- und Wildtieren. Vor allem, wenn die Sonne auf die Strände oder das Watt scheint, sondern die Algen giftige Schwefelwasserstoffgase ab.
Die materiellen Schäden gehen in die Millionen. Allein die europäischen Fördergelder für das Aufsammeln der Algen in der Bretagne betrugen im vergangenen Jahrzehnt 59 Millionen Euro. Jahr für Jahr wurden in der Bretagne bis zu 60 Tonnen Grünalgen gesammelt. Die Algenpest ist zwar eine Erscheinung, unter der die französische Atlantikküste von der Normandie bis zur Gironde-Mündung leidet. Doch drei Viertel der Schäden betreffen die bretonische Halbinsel.
Der Bericht des Rechnungshofes lässt keinen Zweifel am Verursacher: “Die wissenschaftlichen Studien zeigen ohne Zweifel, dass die Stickstoffzufuhr in den Algenbuchten im Wesentlichen landwirtschaftlichen Ursprungs ist.” Je nach Einzugsgebiet und Zeitraum seien Düngemittel und Gülle für 90 bis 98% dieses Stickstoffzustroms in Boden, Grundwasser und Flüsse verantwortlich. Die Kontrolle der landwirtschaftlichen Emissionen seien folglich “der einzige Hebel, um die Verbreitung von Grünalgen derzeit zu begrenzen.”
Agrarsubventionen ohne Umweltauflagen
Immerhin bescheinigt der Rechnungshof der Politik seit der Jahrtausendwende einen Mentalitätswandel. Bis dahin seien “über mehrere Jahrzehnte den Landwirten Anreize zur Massenproduktion” geboten worden. Alle zuständigen Gremien hätten sich an dieser Politik beteiligt “ohne jedes Bewusstsein für die Umweltfolgen.” All die Jahre seien Subventionen geflossen, ohne dass Bedingungen hinsichtlich des Umweltschutzes gestellt worden seien. Die Zahl der Kontrollen sei sogar seit 2010 um 73 Prozent gesunken. Schlimmer noch: Beantrage ein Agrarier die Genehmigung einer neue Anlage zur Massentierhaltung, werde die Genehmigung oft automatisch erteilt – selbst in Gegenden, die bereits in der Gülle erstickten.
Das Verwaltungsgericht in Rennes hat in der vergangenen Woche dem Treiben der Agrarindustrie und der damit verbündeten Regionalverwaltung ein Ende gesetzt. Die Präfektur als oberste Verwaltungsbehörde der Bretagne, so das Urteil, muss innerhalb von vier Monaten überprüfbare Maßnahmen einleiten, um die Düngung und ihre Folgen für Land und Küste einzudämmen. “Das ist ein historischer Sieg”, sagt Alain Bonnec, Vorsitzender der Umwelt-Initiative Eau et Rivières de Bretagne.
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