Bayern – Populistisch regiert, Energiewende verschlafen

Alle Jahre wieder stellt die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ein Monitoring der Energiewende in Bayern vor. Die jüngst erschienene Studie zieht eine verheerende Bilanz.

Stromtrasse Energiewende muss zwangsläufig sichtbar sein (Foto: www.ceus-design.de)
Stromtrasse Energiewende muss auch in Bayern zwangsläufig sichtbar sein (Foto: www.ceus-design.de)

Der Umbau des Energiesystems verfehle auf fast allen Feldern die selbst gesteckten Ziele. „Die vorliegenden Ergebnisse sind alarmierend. Wir können keinerlei Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr erkennen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), Bertram Brossardt. Das Gegenteil treffe zu: Die wenigen Verbesserungen in der Bewertung seien der schwachen Wirtschaftsleistung geschuldet. Brossardt: „Der Umbau verläuft nach wie vor zu träge, zu kraftlos und zu umständlich.“ Das gilt der Studie zufolge nicht nur für Bayern, sondern für die ganze Bundesrepublik. „Deutschland windet sich, aber schafft die Wende nicht. Jetzt gilt: Machen statt nur wollen“, sagt dazu Brossardt.

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Das Basler Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos erstellt jährlich seit 2012 im Auftrage der VBW das Monitoring der Energiewende in Bayern und Deutschland. Dem jüngsten Bericht zufolge ist das Ergebnis in keinem Bereich zufriedenstellend. Das Ziel der Bayerischen Staatsregierung, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, ist laut dem 12. Monitoring der Energiewende, so gut wie unerreichbar. Zurzeit sind die klimaschädlichen Ausstösse doppelt so hoch wie der Abbaupfad vorgibt.

Nur sieben neue Windräder in Bayern

Zwar ging in Bayern im vergangenen Jahr mehr grüner Strom neu ans Netz als in jedem anderen Bundesland. Doch die Bilanz des Windkraftausbaus sieht in Deutschlands südlichstem Bundesland trist aus. Ganze sieben neu Windräder gingen im vergangenen Jahr in Betrieb. Brossardts Kommentar: „In Bayern muss sich die Geschwindigkeit beim Ausbau der Windenergie verzwanzigfachen.“ Pro Woche müsse Bayern mindestens zwei große Anlagen in Betrieb nehmen, um die klima- und energiepolitischen Zile zu erreichen. In Bayern galt lange Jahre eine geradezu prohibitive Abstandsregelung gegen den Bau von Windkrafträdern. Erst Ende des Jahres 2022 wurde die Regel gelockert.

Aber auch der Netzausbau hinkt laut Studie weit hinter den Planungen und Notwendigkeiten hinterher. Der Rückstand in Deutschland liegt bei 2 000 Kilometer. Vor allem die industriellen Zentren Bayerns brauchen leistungsfähige Stromtrassen aus den nördlichen Bundesländern. Deutschlands Strom stammt zu etwa einem Drittel aus der Windkraft. Die großen Windparks stehen aber in nördlichen Bundesländern wie Schlewsig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen.

Bayerische Extrawurst

Aktivitäten bayerischer Bürgerinitiativen hatten – unterstützt durch Politiker der regierenden CSU – den Ausbau der Netze verlangsamt. Um ihrer schönen Sicht – und Grundstückspreise – willen hatten Wutbürger die Netzkonzerne genötigt, die Trassen teilweise unterirdisch zu verlagern. Neben dem Risiko, das mit jeder neuen Technik verbunden ist, bringt die unterirdische Verlegung eine Verteuerung um das Zehnfache mit sich.

“Wir sind ja nicht irgendein Bundesland”, tönte 2014 der seinerzeitige Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, “wenn es sogenannte Monstertrassen gibt, die quer durch diese schöne Landschaft führen, dann ist es meine Pflicht, so etwas zu verhindern.” Heute beklagt sich sein Nachfolger Markus Söder darüber, dass der Bau der Trassen nicht voran kommt: “Wenn wir totalen Überschuss an regenerativer Energie im Norden haben, die aber nicht über Stromleitungen in den Süden kommt, dann stimmt ja das ganze System in Deutschland nicht mehr.“

VBW-Hauptgeschaftsführer Bertram Brossardt hatte sich – anders als die Regierung seines Bundeslandes – stets für den Ausbau von Stromtrassen und Windkraft ausgesprochen. „Wer für Klimaschutz ist, kann nicht gleichzeitig gegen Stromtrassen und Windräder sein“, betonte Brossardt im Sommer 2021 in einem Interview mit Greenspotting. Bereits bei der Vorstellung des 9. Monitorings der Energiewende Anfang 2019 forderte Brossart ein klares Bekenntnis dazu, dass „die von Politik und Bevölkerung gewollte Energiewende nicht unsichtbar vollzogen werden kann. Wir müssen akzeptieren, dass die Energiewende in der Landschaft sichtbar wird: mit Photovoltaik- und Windenergieanlagen und mit Stromnetzen. Wer die Energiewende will, muss auch aushalten, dass sie stattfindet.“

Mehr: Studie VBW/Prognos; Süddeutsche Zeitung

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