Energiekrise – Unausgegorenes statt klare Linie

Gaspreisdeckel, Übergewinnsteuer, Sparplan: Die Regierung begegnet der Energiekrise mit einer Kakophonie an Vorschlägen. Einige Beispiele für viele Ungereimtheiten.

Waschlappen, Schüssel, Seife - die Wunderwaffen gegen die Energiekrise
Waschlappen, Schüssel, Seife Die neuen Wunderwaffen gegen die Energiekrise Foto: Petra/Pixabay

Reiner Haseloff platzt beim ZDF-Talker Markus Lanz dieser Tage der Kragen. Seit Jahren lege sich sein Land beim Ausbau der Windkraft ins Zeug. Doch jetzt in der Energiekrise, echauffiert sich der sachsen-anhaltinische Minsterpräsident, profitierten weder mittelständische Betriebe noch die Bürger zwischen Halle und Magdeburg von den niedrigen Strom-Erzeugungskosten der Mühlen. Sie liegen mitunter weit unter zehn Eurocent. Der Grund: Der Preis bildet sich an den Strombörsen. Und dort gibt das jeweils teuerste Kraftwerk den Takt vor. Derzeit sind das gasbetriebene. Und daher lag der Marktpreis auch preiswerter Quellen wie Wind und Sonne zuletzt nahe 30 Cent je Kilowattstunde (kWh).

RWE gehört zu den Profiteuren der Energiekrise

Das Ärgernis: Die preisdämpfende Wirkung der Erneuerbaren verpufft durch den Marktmechanismus zu einem großen Teil. Die Stromverbraucher schauen in die Röhre – dagegen spült die Regelung Multis wie dem Energiekonzern RWE breite Geldströme in die Kasse. Die Essener erlösen mit ihren großen Wind- und Solarparks jetzt weitaus mehr Geld, obwohl ihre Kosten gleich geblieben sind. Einen Gewinnsprung auf fast 600 Millionen Euro verkündet der Vorstand für das erste Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Und erklärt großzügig, sich vorläufig nicht aus der neuen Gasumlage bedienen zu wollen.

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Manuelas Schwesigs Ärger über den Kanzler

Anders als die Großbetreiber erneuerbarer Anlagen erhalten Hauseigentümer weiter die festgeschriebene Vergütung für den Solarstrom aus ihren Photovoltaik (PV)-Modulen, für neu installierte derzeit zwischen 6,2 und 8,6 Cent je kWh. Die Stadtwerke sind dankbare Abnehmer für jede Billig-kWh, die in ihre Netze fließt. Bei ihren eigenen Kunden verkaufen sie den Strom zum Mehrfachen. Noch so eine Ungereimtheit.

Soli für Krisengewinnler

Und es gibt deren viele mehr. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, versteht zum Beispiel nicht, warum ihr Parteigenosse, Bundeskanzler Olaf Scholz, vor einer Übergewinnsteuer und einem Gaspreisdeckel zurückschreckt. Und stattdessen lieber vor der mitregierenden FDP kuscht. Ersteres hält Schwesig für eine Frage der Steuergerechtigkeit. Länder wie Spanien, Italien und Griechenland haben sie bereits hergestellt und den Soli für die Krisengewinnler eingeführt.

Gaspreisdeckel schützt arme Haushalte

Letzteres, den Gaspreisdeckel, halten renommierte Ökonomen für den wirksameren Schutz gegen unbezahlbare Rechnungen als zum Beispiel die beschlossene Mehrwertsteuer-Senkung auf die von Oktober an erhobene Gasumlage. Der Steuerrabatt entlastet vor allem Großverbraucher. Isabella Weber und Sebastian Dullien schlagen als Alternative vor, einen Grundverbrauch von 8000 kWh pro Jahr mit einem sozial verträglichen Höchstpreis von 7,5 Cent je kWh zu versehen. Heizen bliebe für arme Haushalte so bezahlbar, argumentieren sie. Dennoch bliebe jenseits des Deckels ein Preisanreiz gegen Verschwendung bestehen.

Steuerfinanzierter Schutzschirm statt Gasumlage

Und warum eigentlich müssen allein die Gaskunden für die Versorgungssicherheit bluten? Warben nicht alle Regierungen in der Vergangenheit für einen Umstieg von Heizöl aufs weniger klimaschädliche Gas?

Bei der Bankenkrise und zuletzt bei Corona spannte Berlin einen aus Steuermitteln finanzierten Schutzschirm auf, um Betriebe, Selbstständige und vermeintlich systemrelevante Unternehmen zu retten. Bei Energieriesen wie Uniper wälzt das Kabinett die Last auf einmal allein auf die Gaskunden ab. Begründung bisher unbekannt. Manuela Schwesig immerhin findet es ungerecht. Kaufen können sich die Gaskunden davon nichts.

Industrie kassiert hohe Gassubventionen

Ganz besonders gekniffen ist dabei wieder einmal der private Kunde. Denn ihm steht keine vergleichbare Klagelobby zur Seite wie der Wirtschaft. Was diese ausblendet – und das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gerade enthüllt hat, ist das Ausmaß an Subventionen und Steuervergünstigen, die der Staat Unternehmen für ihren Gasverbrauch gewährt: 2,1 Milliarden Euro für 447 Terawattstunden waren es vergangenes Jahr (siehe Grafik unten). Wahrlich kein Pappenstil.

Viel Geld fürs Verbrennen von Gas Die Industrie profitiert besonders von Subventionen und Steuernachlässen Quelle: IW

Für die Bürger halten die grünen Vorturner, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, stattdessen etwa Tipps zur Körperpflege parat. Waschlappen nutzen statt duschen zum Beispiel. Habeck will mit seinem gerade vorgestellten Sparplan Hauseigentümer zum jährlichen Heizungs-Check verpflichten. Die Heizungsinstallateure werden sich über das zusätzliche Auftragsvolumen freuen. Aber jeder auch nur halbwegs technisch begabte Laie könnte die Vorlauftemperatur auch selbst niedriger stellen und die Nachtabsenkung an seiner Gastherme aktivieren – ganz ohne Kosten.

Bürger verlieren den Überblick

Wie konfus gerade Habeck mitunter agiert, zeigt eine jüngste Entscheidung. Was gegen hohe Heizkosten bestens hilft, ist ein gut gedämmtes Haus. Doch ausgerechnet für die energetische Gebäudesanierung strich sein Haus jetzt kräftig die Mittel zusammen. Widersprüchlich geht es kaum.

Wenn wundert es bei solchem Chaos in der Regierung, dass inzwischen vier von fünf Bundesbürgern laut einer Umfrage resigniert abwinken und sagen: “Wir blicken da nicht mehr durch.” Die Protestanzettler von ganz rechts und links reiben sich die Hände.

Mehr: taz n-tv iw

Dieter Dürand

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