Beim Sauberstrom nur halbe Kraft voraus

Der Anteil von Sauberstrom am Energiemix erklimmt Rekordhöhen. Doch gegen die Energiekrise wäre weit mehr Tempo notwendig. Die Gründe für den Kriechgang.

Der Ausbau des Sauberstroms kommt nur in Trippelschritten voran
Trippelschritte statt Aufbruch Der Ausbau des Sauberstroms kommt nur langsam voran Quelle: bdew

Auf den ersten Blick wirkt die Entwicklung ermutigend. Sauberstrom deckte dieses Jahr 47 Prozent der Nachfrage nach elektrischer Energie an Rhein und Elbe. Gegenüber 2021 ein Plus von immerhin fünf Prozentpunkten (siehe Grafik oben). Doch der Zuwachs geht vor allem aufs Konto des sonnenreichen Sommers und eines stürmischen Frühjahrs. Weniger beruht er auf einem kraftvollen Ausbau der Erzeugungskapazitäten. Das berichtet der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in seiner vorläufigen Jahresbilanz.

Sauberstrom gegen die Abhängigkeit von russischem Gas

Sie enttäuscht also bei näherer Betrachtung. Hatte die Bundesregierung nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar nicht groß angekündigt, die Installation von Wind- und Sonnenkraftwerken massiv zu beschleunigen? Mit dem Ziel, das Land zügig aus seiner Abhängigkeit von russischem Erdgas und Erdöl zu befreien.

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Diesem selbst gesteckten Anspruch hinkt die Ampelkoalition weit hinterher. Flott ging es allein beim Hochfahren von klimaschädlichen Kohlemeilern und der schnellen Beschaffung von milliardenteuren Terminals zur Anlandung von Flüssiggas (LNG). Dagegen kommt vor allem die Windkraft nicht von der Stelle. Dabei wäre das Gegenteil dringend, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. “Wir können uns aus dieser Krise nur hinaus investieren.”

“Wir können uns aus dieser Energiekrise nur hinaus investieren”

Kerstin Andreae, Chefin BDEW

Doch während in China und anderswo neue Turbinen im Eiltempo aufgestellt werden, erreicht Rot-Grün-Gelb nicht einmal seine Minimalziele. Mangels Nachfrage halbierte die Bundesnetzagentur ihre letzte diesjährige Ausschreibung zum 1. Dezember grob von 1333 Megawatt (MW) auf 604 MW. Doch nicht einmal für diese Menge gab es genügend Interessenten. Bieter fanden sich für gerade einmal 189 MW. Damit gab es drei Mal hintereinander zu wenige Bewerber. Die Ampel verfehlt damit ihr Jahresziel von 5158 MW meilenweit.

Steigende Zinsen und Baukosten bremsen Investoren aus

Woher rührt die Zurückhaltung? Experten benennen gleich mehrere bremsende Faktoren:

  • Noch immer zögen sich Genehmigungsverfahren endlos in die Länge, kritisiert Milan Nitzschke, Geschäftsführer der SL Naturenergie aus dem nordrhein-westfälischen Gladbeck. Zwölf Mal gaben die Behörden grünes Licht – 40 seiner Projekte befinden sich in der Warteschleife. Das am 1. Februar 2023 in Kraft tretende “Wind-an-Land”-Gesetz soll endlich für Tempo sorgen.
  • Um zu hohen Stromkosten aus Windenergie vorzubeugen, muss die Bundesnetzagentur bei den Ausschreibungen einen Höchstpreis festlegen, zu dem der Strom garantiert abgenommen wird. Der lässt viele Kalkulationen unwirtschaftlich erscheinen und schreckt Hermann Albers zufolge Investoren ab. “Die Höchstwerte müssen dringend nach oben gesetzt werden”, fordert der Präsident des Bundesverbands Windenergie daher.
  • Schließlich seien die Baukosten um bis zu 30 Prozent und die Zinsen für die Finanzierung von einem auf knapp vier Prozent gestiegen, klagt SL-Geschäftsführer Niztschke. “Wir kommen in Dimensionen, wo es unwirtschaftlich wird.”
Solarindustrie weiter auf Wachstumskurs Run auf Photovoltaik-Anlagen Quelle: BSW

Besser bewertet die Solarindustrie ihre Wachstumsaussichten. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) berichtet von einem neuen Allzeithoch beim Geschäftsklima. Die Zuversicht stützt sich unter anderem darauf, dass sich laut einer Umfrage drei Viertel aller Hauseigentümer eine Solaranlage anschaffen wollen.

Markteingriffe verunsichern die Investoren

Doch den Lobbyisten zufolge könnte es noch besser laufen. Denn auch der Solarbranche droht die Abschöpfung vermeintlicher Übergewinne. Und auch für sie gelten bei Auktionen Höchstpreise. Solche Markteingriffe könnten die Energiewende ausbremsen, warnt der Verband.

Mehr: BDEW Tagesschau BSW

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