Der erste schwimmende Anleger für Flüssigerdgas (LNG) ist betriebsbereit. Eine Studie weckt Zweifel, ob die LNG-Terminals eine klimaneutrale Zukunft haben.

Mit großem Tamtam weihte die Politik in Wilhelmshaven jetzt den ersten schwimmenden Anleger für Flüssigerdgas ein. Gerade einmal 194 Tage dauerte sein Bau – rekordverdächtig. Vier weitere mobile LNG-Terminals dieser Art hat die Bundesregierung über ihren Neu-Staatsgaskonzern Uniper projektiert, um kurzfristig russisches Pipelinegas zu ersetzen (siehe auch Video unten). Langfristig sollen feste Anlandestationen zur Speicherung und Rückvergasung des tiefgekühlten fossilen Brennstoffs Deutschlands Energieversorgung sichern, so der Plan des Berliner Kabinetts.
Umweltschützer sind wegen der LNG-Terminals besorgt
Klimaaktivisten und Umweltschützer laufen von Beginn an Sturm dagegen. Sie wehren sich wie die Fridays-for-Future-Vertreterin Luisa Neubauer gegen die Schaffung einer neuen fossilen Infrastruktur. Und fürchten Schäden an der Meeresfauna durch giftige Abwässer. Denn damit sich keine Muscheln und Seepocken in den Anlagen ansiedeln, spülen die Betreiber diese mit Chlor.
Strenge Kontrollen versprochen
Die Einhaltung aller Umweltauflagen würde streng kontrolliert, besänftigt die Politik. Zudem betont der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Terminals würden für die spätere Umstellung auf sauberen Wasserstoff (H2) ausgelegt.
Technische Umrüstung verursacht enorme Zusatzkosten
Experten des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) sehen genau dieses Versprechen jedoch äußerst kritisch. In einer Studie zweifeln sie an der Wirtschaftlichkeit einer Umrüstung auf klimaneutrale Energieträger wie grün erzeugten Wasserstoff oder Ammoniak. Diese sei technisch extrem anspruchsvoll. Daher verursache sie enorme Zusatzkosten von 30 (Ammoniak) beziehungsweise 50 Prozent (H2) zu den ohnehin schon hohen Anschaffungsinvestitionen.
Habeck räumt Preissprung ein
Die belaufen sich nach ursprünglicher Planung beim Wilhelmshavener Anleger auf 576 Millionen Euro über zehn Jahre. Den Bau eines festen Terminals taxieren Fachleute sogar auf eine Milliarde Euro. Die Zahlen, so zeigt sich jetzt, sind eher zu niedrig angesetzt. Das Bundeswirtschaftsministerium musste jetzt einräumen, dass sich die Kosten für die Flüssiggas-Terminals mehr als verdoppeln. Sie steigen um 3,5 Milliarden auf jetzt 6,56 Milliarden Euro.
„Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind“
Matia Riemer, ISI
Zudem ließe sich aktuell schwierig abschätzen, ob es jemals genügend Nachfrage nach den aufgebauten Kapazitäten gäbe, so die Karlsruher weiter. ISI-Ko-Autorin Matia Riemer warnt deshalb: „Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind.“ Wenn nicht, erwiesen sie sich als Milliardengrab.
LNG-Tanker als schwimmende Zeitbomben
Für Experten lauern in dem LNG-Hype noch ganz andere Gefahren. Im Prinzip sind etwa die Spezialtanker schwimmende Zeitbomben, mit einer Panzerfaust ohne Weiteres in Brand zu setzen. Die islamistische Miliz Hisbollah zum Beispiel droht Israel mit solchen Anschlägen, sollte das Land Flüssiggas exportieren wollen.
Im US-amerikanischen Texas flog erst vor wenigen Monaten eine Großanlage zur Verflüssigung von Erdgas in die Luft. Aufgeschreckt von solchen Unfällen fürchtet die britische Bürgerinitiative „Safe Haven“ brennende Städte bei einer solchen Großexplosion. Vorsicht scheint also geboten zu sein.
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