Quer bringt mehr: Retten aufrecht stehende Solaranlagen das Klima?

Solaranlagen auf dem Dach liegen liefern ihren Strom vor allem zur Mittagszeit. Vertikale Anlagen dagegen können die Stromlücken morgens und abends verkleinern. Sie sind darüber hinaus die ideale Zweitnutzung auf Weiden oder Äckern.

Solaranlagen
Senkrechte Solaranlagen Module auf beiden Seiten und Agrarnutzung bringen mehrfachen Ertrag (Next2Sun)

Herkömmlicherweise liegen die Paneele meist mit einem Neigungswinkel von 20 bis 35 Grad auf Dächern. Sie nutzen nur ihre Vorderseite, die nach schräg nach oben ausgerichtet ist. Mittags und im Sommer, wenn die Sonne hoch steht, erzeugen sie viel Strom. Zu diesen Zeiten liegen aber die Marktpreise an der Leipziger Strombörse tief. Anders als herkömmliche Dachmodule sind vertikal installierte Solaranlagen in der Regel bifazial ausgerüstet. Das heißt, sie verfügen auf beiden Seiten über Solarmodule. Damit wird – bei Sonnenschein – stets eine Seite bestrahlt. Die Rückseite verwertet zusätzlich das indirekte Licht.

Der Vorteil: Bifaziale, vertikale Anlagen erzeugen – in West-Ost-Ausrichtung platziert – vor allem morgens und abends Strom. Sie füllen damit die Lücke, die sich aus der Ausrichtung herkömmlicher PV-Anlagen ergibt. Jetzt haben Forscher der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) Szenarien durchgerechnet, die mögliche Auswirkungen einer verstärkten Nutzung vertikaler, bifazialer Anlagen aufzeigen.

„Bifaziale Solarmodule sind zwar etwas teurer als konventionelle Solaranlagen. Aber da sie die Anzahl von Stunden mit verfügbarer Solarenergie erhöhen, werden andere Elektrizitätsbedarfe reduziert”, sagt Jens Schneider, Professor für Vernetzte Energiesysteme an der HTWK und Ko-Autor der Studie. Senkrecht installiert, könnten die Solaranlagen gut auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden. Das schaffe zusätzliche Verdienstmöglichkeiten für Landwirte und erhöhe das Flächenpotenzial für erneuerbare Energien.

Unabhängig dank vertikaler Solaranlagen

Diese Erhöhung der für Photovoltaik nutzbaren Flächen kann, so die Studie, im Extremfall Deutschland von Energieimporten weitgehend unabhängig machen. Theoretisch könnten bifaziale, vertikale Agri-PV-Anlagen die Hälfte des inländischen Gesamtenergiebedarfs liefern – also Energie für Heizung oder die Industrie einbezogen.

Lückenbüßer Vertikale PV-Anlagen liefern Strom, wenn andere schwächeln (Next2Sun)

Für die Bauern ergeben sich abgesehen vom Energiegeschäft weitere Vorteile. Sie nutzen die Paneele auch als Schutz vor Sonne, Wind und Hagel. Selbst der Bodenstreifen unmittelbar unter den Paneelen kann als Blühfläche für mehr Biodiversität dienen. Viele Bauern gebrauchen die Module auch als Zäune.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler mit der Software Energyplan ein Energiesystem für Deutschland modelliert. Das Szenario geht dabei von 80 Prozent weniger CO₂-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 aus – entsprechend der deutschen Klimaschutzziele. Dafür nehmen die Forschenden einen Zubau von derzeit 64 auf 195 Gigawatt Windenergieleistung und von derzeit 58 auf 400 Gigawatt Sonnenenergieleistung an.

Zehn Megatonnen CO₂ weniger

Um diese installierte Leistung nutzen zu können, sind Stromspeicher nötig. Die Studie zeigt jedoch, dass der Bedarf an Stromspeichern sinkt, wenn der Großteil der zugebauten Solarleistung vertikal in Ost-West-Ausrichtung installiert wird. Schon wenn 70 bis 90 Prozent der PV-Module nicht nach Süden geneigt, sondern in Ost-West-Richtung aufrecht installiert werden, werden laut Szenario bis zehn Megatonnen CO₂ im Jahr eingespart.

Mehr: Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*