Verliert das Treibhausgas seinen Schrecken als Menschheitsgeißel? Amerikanische Chemiker haben eine Methode entwickelt, um Kohlendioxid per Elektrolyse in Ethylen umzuwandeln. Kommt jetzt die Wende zur CO2-Wirtschaft?
Hitzesommer, schmelzende Gletscher, Regenfluten: Seit dem Beginn der Industrialisierung ist der C02-Gehalt in der Atmosphäre fast um die Hälfte angestiegen. Die hohe Konzentration bewirkt den Treibhauseffekt, der für die Klimakatastrophe verantwortlich ist. Bis 2050 wollen viele Staaten C02-neutral werden. Verbrennungsprozesse sollen vermindert. Kohlenstoffsenken wie Moore und Wälder sollen ausgedehnt werden. Doch das wird nicht reichen. Die Menschheit kommt nicht umhin, den Kohlendioxid-Gehalt zusätzlich durch chemische Verfahren zu senken.
Einem Forscherteam der University of Illinois Chicago ist es nun gelungen, Kohlendioxid aus Industrieabgasen vollständig in Ethylen umzuwandeln. Die Wasserstoff-Kohlenstoff-Verbindung ist ein wichtiges Ausgangsprodukt für die Kunststofferzeugung.
Ohne fossile Brennstoffe
Schon seit Jahren arbeiten Teams in aller Welt daran, Kohlendioxid in Ethylen umzuwandeln. Doch bis jetzt ist es nicht gelungen, Kohlendioxid fast vollständig in Kohlenwasserstoffe zu transformieren. Die meisten Versuche arbeiteten bislang mit Reaktoren, die in der Regel nur etwa zehn Prozent des Co2 umwandelten. Das so gewonnene Ethylen lag überdies nicht in reiner Form vor. Die Forscher mussten es in einem energieintensiven Prozess vom Kohlendioxid trennen. Dabei setzten sie in der Regel fossile Brennstoffe ein.
Die Chemiker aus Chicago gehen anders vor. Sie leiten Strom durch eine Zelle, die zur Hälfte mit abgeschiedenem Kohlendioxid und zur anderen Hälfte mit einer Wasserlösung gefüllt ist. Die beiden Einheiten sind durch eine Membran getrennt. Ein elektrifizierter Katalysator zieht die Wasserstoffatome aus den Wassermolekülen durch die Membran in die andere Einheit. Dort verbinden sie sich mit geladenen Kohlenstoffatomen aus den Kohlendioxidmolekülen und bilden so das Ethylen.
CO2 verschwindet
Das Verfahren wandelt das CO2 fast vollständig um. Es kann bis zu sechs Tonnen Kohlendioxid in eine Tonne Ethylen umwandeln. Die dabei eingesetzten Geräte arbeiten mit Strom. Der Prozess ist – bei Einsatz erneuerbarer Energien – folglich CO2-negativ. Projektleiter Meenesh Singh ist davon überzeugt, dass der Ansatz seines Teams hinsichtlich der Kohlendioxid-Reduzierung anderen Techniken überlegen sei: „Es ist ein Nettonegativ. Für jede Tonne Ethylen, die produziert wird, werden 6 Tonnen CO2 aus Punktquellen entfernt, die sonst in die Atmosphäre gelangen würden.“
Ethylen ist ein wertvoller Grundstoff für die chemische Industrie. Das Gas wird in der Regel durch das sogenannte Dampfkracken erzeugt. Dieses Verfahren bedarf enormer Wärmemengen. Und es ist mit erheblichen Kohlendioxid-Ausstößen verbunden. Pro Tonne Ethylen entstehen beim Cracken etwa anderthalb Tonnen C02. Weltweit produziert die Industrie rund 160 Millionen Tonnen und bläst dabei 260 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Die Ethylen-Produktion steht damit bei den Kohlenstoff-Emissionen an dritter Stelle nach der von Ammoniak und Zement.
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