Sonnenstrom vom Kanal

Wollen die Regierungen weltweit ihre Klimaziele erreichen, müssen sie die Energieerzeugung aus CO2-freien Quellen vervielfachen. Kanäle könnten zu wertvollen Solarkraftwerken werden – Indien und Kalifornien machen es vor. Zusätzlich wird das Wasser geschützt.

Vorreiter Indien Solarmodule über Kanälen senken die Verdunstung des Wassers Foto: Wikimedia

Die gute Nachricht vorweg: Aus der Kraft der Sonne ließe sich 100-mal mehr Energie gewinnen als die Menschheit verbraucht. Um die Energie in Strom umzuwandeln, sind allerdings viele Millionen Photovoltaik (PV)-Module notwendig. Doch wo sie sinnvoll aufstellen?

Kalifornische Forscher halten das 6350 Kilometer lange Bewässerungs- und Trinkwassernetz des US-Bundesstaates, das 35 Millionen Menschen mit dem lebenswichtigen Nass versorgt, für einen idealen Standort. Würden die Versorgungskanäle mit Solarpaneelen überdacht, würden diese ihrer Berechnung nach 13 000 Megawatt (MW) Strom jährlich in die Netze einspeisen – etwa die Hälfte der Kapazität, die der Sonnenstaat braucht, um seine ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele bis 2030 zu erreichen.

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Der Schatten der Module verringert die Verdunstung

Und es kommt noch besser. Der Schatten, den die Solardächer spenden, verhindert, dass jedes Jahr rund 238 Milliarden Liter Wasser durch Verdunstung verloren gehen, so die Wissenschaftler. Umgekehrt kühlt das Wasser die Solarzellen, die so bei hohen Temperaturen weniger an Leistung einbüßen. Der Lead-Autor der Studie, Brandi McKuin von der Universität von Kalifornien, hebt weitere Vorteile hervor: Der Schatten dämpfe die Algenblüte im Wasser, die kostspielige Reinigungsarbeiten erfordere. Und es müsse weniger kostbarer Landfläche in Anspruch genommen werden.

Kosten um bis zur Hälfte niedriger als auf Freiflächen auf Land

McKuin schlägt wegen der vielen positiven Effekte vor, neu zu überdenken, wo Investoren PV-Kraftwerke am besten platzieren. Trotz der aufwendigen Verkabelung über weite Strecken seien die Kosten bis um die Hälfte billiger als bei Freiflächenanlagen etwa auf Äckern.

Wird in Kaliforniern noch nachgedacht, experimentieren Ingenieure und Behörden Im indischen Bundesstaat Gujarat bereits mit der Idee solarüberdachter Wasserwege. Gut 40 Kilometer sind mit PV -Modulen bestückt, Kostenpunkt: umgerechnet knapp 12 Millionen Euro. Gegenwärtig werten die Akteure die Erfahrungen aus. Sudhir Moola, Geschäftsführer des Energieversorgers Premier Energie betont das große Potential: “Es könnten 10 000 MW installiert werden, das würde mehr als 16 000 Hektar Landanlagen ersetzen.” Damit würden die Solarkanäle bis zu 20 mittelgroße Kohlekraftwerke überflüssig machen.

Schwimmendes PV-Kraftwerk in Renchen/Baden Potential von 55 000 MW in Deutschland
Foto: Ossola GmbH, Jörg Wilhelm

In Deutschland konzentrieren sich die Überlegungen bisher auf schwimmende PV-Anlagen. die auf Kiesgruben, gefluteten Tagebauflächen und Stauseen verankert werden könnten. Das Potential wäre Berechnungen des Freiburger Fraunhofer Instituts für solare Energiesysteme (ISE) zufolge riesig: 55 000 MW. Seit Ende Mai 2019 versorgen im badischen Renchen auf dem Wasser dahindümpelnde Solarmodule ein am Ufer gelegenes Kieswerk mit Strom. Diese erste Versuchsanlage leistet 750 Kilowatt.

Wiederbelegung der europäischen Solarzellenfertigung

So rosig die Aussichten, so mickrig der Anteil, den hier gefertigte Solarzellen, dem Herzstück der PV, zum Boom beitragen. Nach Angaben des Ko-Präsident des European Solar Manufacturing Councils (ESMC), Eicke Weber, sind es nicht einmal ein halbes Prozent der globalen Produktion. Weber fordert eine Wiederbelebung der europäischen Zellfertigung und stellt 180 000 Arbeitsplätze in Aussicht. Sein Diktum: “Bei einer Schlüsseltechnologie der künftigen Energieproduktion sollte Europa auf eigenen Beinen stehen.”

Mehr: Wired BBC

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