Wie stark beeinflusst das Abtauen des Permafrostboden unser Klima?

Müssen wir damit rechnen, das der Arktisboden in ein paar Jahren unvorstellbare Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre spuckt? Oder gibt es noch Hoffnung?

Siedlung in Grönland Tauender Permafrost gefährdet auch Stabilität von Häusern (Jerzy Sawluk/Pixelio.de)

Mit diesen Fragen hat sich ein deutsch-amerikanisches Team befasst. Die Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Brigham Young University/Utah haben das bisherige Wissen um die Gefährdung des Permafrostboden zusammen gefasst.

Immerhin bedeckt der Dauerfrost ein Zehntel der Erdoberfläche. Vor allem auf der Nordhalbkugel gibt es riesige Gebiete, in denen im Sommer gerade einmal die obersten Zentimeter des Bodens auftauen. Der Rest bleibt über das ganze Jahr bis in hunderte Meter Tiefe gefroren. So war es jedenfalls bislang. „Der Klimawandel ist für diese Permafrost-Regionen eine ernsthafte Gefahr“, sagt AWI-Forscher Jens Strauss. Denn die Temperaturen der Landoberfläche haben in diesen Gebieten zwei- bis viermal schneller zugenommen als im weltweiten Durchschnitt. Und das bringt eine Reihe von Risiken mit sich.

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Forscher uneins

Größtes Risiko ist das Entweichen von Kohlendioxid und Methan. Im tiefgekühlten Boden des Nordens ruhen die Reste von längst eingegangenen Tieren und Pflanzen. Tauen sie auf, zersetzen Mikroorganismen die Biomasse. Die entweichenden Gase kurbeln die Erderwärmung weiter an. Ob das zwangsläufig zur Katastrophe führt, darüber gehen die Meinungen in Wissenschaft und Öffentlichkeit auseinander. Für die einen sind die Permafrost-Regionen tickenden Klima-Zeitbomben. Andere erwarten, dass der hohe Norden in absehbarer Zeit kaum nennenswerte Mengen an Treibhausgasen freisetzt.

Milliarden von Tonnen CO2

„Beides stimmt nicht“, betont Strauss. „Wir müssen zwar nicht damit rechnen, dass der Permafrost in ein paar Jahren riesige Mengen Treibhausgase auf einmal in die Atmosphäre spuckt und das Klima damit unweigerlich zum Kippen bringt.“ Verharmlosung sei aber auch nicht angebracht. „Immerhin setzen die Permafrost-Regionen heute schon Treibhausgase in einem Umfang frei, der nahezu den jährlichen Emissionen von Deutschland entspricht.“ Und wissenschaftlichen Schätzungen zufolge könnten aus ihren Böden in den nächsten beiden Jahrhunderten Gasmengen in die Atmosphäre strömen, die so wirksam sind wie etliche hundert Milliarden Tonnen CO2.

Beschleunigt wird der Prozess wegen der schwindenden hellen, reflektierenden Schnee- und Eisdecke. Schon eine geringe Erwärmung reicht, um die Existenz der hochspezialisierten Tiere und Pflanzen in der arktischen Region zu gefährden.

Gefahr für Inuit und Samen

Auch für die Menschen im Norden bringt die wachsende Instabilität des Bodens Gefahren mit sich. Häuser, bislang auf eisigem Boden fest wie auf Beton gegründet, bekommen Risse oder brechen sogar zusammen. Schadstoffe wie Quecksilber werden freigesetzt.

Etliche indigene Völker sind in ihrer Lebensweise und Kultur bedroht. Jens Strauss: „Diese Menschen haben nur sehr wenig zum Klimawandel beigetragen, sind aber besonders stark davon betroffen.“ Der Schutz des Permafrostes sei daher auch daher auch eine Frage der Gerechtigkeit. Der Potsdamer Wissenschaftler sieht durchaus Chancen, den Prozess aufzuhalten: „Für Resignation haben wir keine Zeit.“

Karte zeigt Szenarien

Wie sich die Folgen der Erwärmung auswirken können, erläutert dazu eine interaktive Karte, die eine Forschergruppe um Strauss’ Potsdamer Kollegen Moritz Langer entwickelt hat. Langer leitet am AWI das Team PermaRisk. Die Gruppe hat mit Computermodellen die Veränderungen des Permafrosts und die damit verbundenen Risiken simuliert. So ist in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Universität Oslo ein Blick in die Vergangenheit und Zukunft der Dauerfrostböden entstanden.

„Auf dieser Karte kann man sich anzeigen lassen, wie sich bestimmte Eigenschaften des Klimas und des Permafrosts seit dem Jahr 1800 entwickelt haben“, erklärt Langer. Wie warm war es wann an der Erdoberfläche? Wie tief war der Boden aufgetaut? Und welche Mengen Kohlenstoff steckten in dieser Schicht?

Das alles wird nicht nur historisch gezeigt. Auch Prognosen sind möglich. Drei verschiedene Szenarien demonstrieren das mögliche Schicksal des Permafrosts bei niedrigen, mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen. Wenn es gelingt, die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, würde demnach ein großer Teil der Dauerfrostböden stabil bleiben. „Leider steuern wir im Moment aber auf eine viel stärkere Erwärmung zu“, sagt Langer. Das Szenario zur Erwärmung um 4 bis 6 Grad zeichnet tatsächlich ein düsteres Bild. Bis zum Jahr 2100 hätte das große Tauen dann so gut wie jeden Winkel im Reich des Permafrosts erfasst.

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