Deutsche Agro-Multis in Brasilien unter Beschuss wegen Pestizid-Lobbying

Kritiker prangern BASF, Bayer und andere Agrochemiekonzerne wegen massiver Lobby-Arbeit in Brasilien an. Das zur Verabschiedung anstehende Pestizid-Gesetz sieht Verbote nur noch bei „inakzeptablen Risiken“ vor.

Giftausbringung auf dem Acker Brasilien ist für Agro-Multis ein Paradies (Rainer Sturm/Pixelio.de)

Das neue Gesetz soll zudem die Position von Umwelt- und Gesundheitsadministration bei der Zulassung neuer Ackergifte weitgehend untergraben. Dagegen soll die Macht des Landwirtschaftsministeriums ausgebaut werden. Das Ministerium hatte in der Vergangenheit meist sehr viel Verständnis für die Sorgen der Agro-Multis gezeigt. Die laxe Haltung des brasilianischen agro-industriellen Komplexes macht den Markt für die Aktivitäten von Bayer BASF & Co. äußerst attraktiv.

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Deren Vorgehen im größten Land Lateinamerikas erläutert die Studie „Giftige Profite“ von Larissa Mies Bombardi und Audrey Changoe. „Während die europäische Pestizid-Industrie danach strebt, ihre Profite zu maximieren, stirbt in Brasilien jeden zweiten Tag ein Mensch an einer Pestizid-Vergiftung. Und rund 20 Prozent dieser Todesopfer sind Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren“, beklagen die Autorinnen.

Äcker vergiften für Futtermittel

Nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes europäischer und vor allem deutscher Agro-Lobbyisten habe sich im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre der Einsatz von Pestiziden in Brasilien versechsfacht. Seit 2019, also dem Jahr des Regierungsantritts des autoritären Präsidenten Jair Bolsenaro, seien dort 45 neue Pestizide von Bayer und BASF zugelassen worden. 19 davon enthielten in der Europäischen Union verbotene Substanzen. Allein im Jahr 2019 habe die EU, so die Autorinnen, über 6,5 Millionen Kilogramm Pestizide, die in der EU verboten seien, in die Mercosur-Staaten exportiert. Zu den Mercosur-Staaten gehören neben Brasilien, Argentinien, Paraguay, und Uruguay.

Für die europäische Agro-Chemie ist Brasilien nicht irgendein Schwellenland mit bestechlichen Politikern. Brasiliens Sojabohnen-Plantagen bedecken eine Fläche von der Größe der Bundesrepublik. Sie stehen für den weltgrößten Absatzmarkt für Pestizide. Dazu gehören auch die sogenannten Highly hazardous Pesticides (HHP). Sie gelten als extrem schädlich für Gesundheit und die Umwelt. Der Sojabohnenanbau ist heute der größte Abnehmer für Agrochemie in Brasilien und für 50 Prozent des gesamten Umsatzes verantwortlich. In der Studie heißt es: „Fast zwei Drittel der brasilianischen Ausgaben für HHP entfielen auf Soja das angebaut wird, um die globale Nachfrage nach Futtermitteln für die Viehzucht zu befriedigen, nicht zuletzt aus Europa.“

Enge Beziehungen

An erster Stelle der politischen Landschaftspflege stehen, dem Öko-Bündnis „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ zufolge, Gespräche mit Regierungsvertretern. So hätten sich Bayer-Chef Werner Baumann und der Chef der Bayer-Öffentlichkeitsarbeit, der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger, sich persönlich mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro getroffen. Dessen ehemaliger Umweltminister Ricardo Salles sei sogar auf einen Hausbesuch an den Bayer-Sitz nach Leverkusen gekommen. Malu Nachreiner, die Präsidentin von Bayer/Brasil, habe mit Landwirtschaftsministerin Teresa Cristina gesprochen. Ein tieferes Gespräch mit deren Nachfolger Marcos Montes sei jedoch überflüssig gewesen. Montes habe zuvor schon in Diensten des Leverkusener Chemieriesen gestanden.

Überdies baue die Agro-Industrie durch Wirtschaftsverbände wie SINDIVEG, ABAG und CropLife Brasil, reichlich Druck auf. CropLife Brasil wird sogar durch den ehemalige Bayer-Manager Christian Lohbauer geführt. Auch über Denkfabriken wie das „Instituto Pensar Agro“ und PR-Plattformen wie Agrosaber versuche sie, auf die Annahme der Gesetzes-Vorlage hinzuwirken.

Widerstand wächst

Inzwischen formiert sich jedoch eine wachsende Bewegung gegen das geplante Gesetz. Im Junij besetzten Jugendliche der Landlosen-Initiative MST eine Bayer-Niederlassung in Jacarei (São Paulo). „Dieser Gesetzentwurf bringt gravierende Änderungen der geltenden Rechtsvorschriften mit sich, die den Verkauf und die Verwendung von für Mensch und Natur hochgiftigen Stoffen erleichtern“, erklärten die Jugendlichen.

Auch die Vereinten Nationen meldeten sich zu Wort. Marcos Orellana, UN-Sonderberichterstatter für die Auswirkungen giftiger Substanzen und Abfälle auf die Menschenrechte forderte die Bolsonaro-Administration dazu auf, das „Poison Package“ nicht in Kraft zu setzen. Brasilien solle daran arbeiten, das noch geltende Regelwerk zu stärken, statt zu schwächen, heißt es in dem betreffenden UN-Papier.

Mehr: Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

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