„Darüber kann Herr Dr. Viessmann unmöglich froh sein“

Trigema-Eigentümer Wolfgang Grupp bestreitet die angeblich zwingende Logik des Verkaufs großer Teile von Viessmann an den US-Konzern Carrier Global – und kritisiert, dass der amtierende Chef des Heizungsbauers, Maximilian Viessmann, sich im Gegensatz zu seinem Vater nicht hundertprozentig mit dem Familienunternehmen verbunden fühle.

Wolfgang Grupp, 81, ist Eigentümer des T-Shirt- und Freizeitbekleidungsherstellers Trigema im schwäbischen Burladingen. Der Mittelständler mit rund 1 200 Beschäftigten produziert nur in Deutschland und ist der größte Produzent von Kleidungsstücken aus Bio-Baumwolle hier zu Lande. Grupp ist Mitglied im Verband der Familienunternehmer und kritisiert immer wieder Firmenchefs, die sich aus der unternehmerischen Verantwortung stehlen. Vor diesem Hintergrund erinnert der streitbare Schwabe an den Kahlschlag, den der US-Konzern Carrier Global, der große Teile des deutschen Heizungsbauers Viessmann kaufen soll, vor gut eineinhalb Jahrzehnten nach einer Firmenübernahme in Deutschland anrichtete (Foto: Trigema)

ANZEIGE

Herr Grupp, Sie gelten mit ihrer Firma Trigema, die Ihnen allein gehört und die einmal an ihre Tochter oder ihren Sohn übergehen soll, als Prototyp des deutschen Familienunternehmers. Was macht das mit Ihnen, wenn jemand Ihres Schlages sein Lebenswerk, in diesem Fall den Heizungsbauer Viessmann, großenteils an einen Konzern, dazu noch einen ausländischen, nämlich Carrier Global aus den USA, verkauft?

Ich kenne Herrn Dr. Martin Viessmann, der das Unternehmen zu einem führenden Player bei Heizungsanlagen und Wärmepumpen in Deutschland gemacht hat, nicht persönlich. Das gilt auch für seinen Sohn Maximilian, der heute die Verantwortung trägt.  Ich kann mir jedoch nach allem, was ich von ihm und seinem Unternehmen gehört habe, nicht vorstellen, dass Herr Dr. Viessmann damit glücklich ist, dass das Lebenswerk seiner Familie an Amerikaner verkauft werden soll.

Können Sie das verstehen?

Nun, sein Sohn Maximilian ist ja inzwischen in der Verantwortung. Wenn er nicht mehr Eigentümer des Unternehmens sein will, was bleibt dem Vater da viel anderes, als das zu akzeptieren? Der Verkauf eines Unternehmens ist zwar das gute Recht des Erben, sofern die Firma nicht vorher beispielsweise in eine Stiftung überführt worden ist, wie das bei Bosch oder Zeiss geschah. Gleichwohl ist es die Lebensleistung von Herrn Dr. Viessmann, eine solche Topfirma aufgebaut zu haben. Das Unternehmen ist sein Herzstück, das jetzt weggeben werden soll, und zwar ohne zwingenden Grund. Darüber kann Herr Dr. Viessmann unmöglich froh sein.

Sie sind Mitglied im Verband der Familienunternehmen. Wie wird der Verkauf von Viessmann bei Ihresgleichen aufgenommen?

Sicher wird der Verkauf von den deutschen Familienunternehmen als schade und nicht als positiv für Deutschland empfunden, so frei jeder Unternehmer auch über die Zukunft seiner Firma entscheiden können muss.  Wenn jemand sich mit dem Unternehmen nicht hundertprozentig verbunden fühlt und ihm die Trennung deshalb nicht allzu schwerfällt, dann muss man damit leben. Ich persönlich wäre enttäuscht, wenn meine Kinder Trigema nach der Übernahme verkaufen würden.

Jetzt gibt es Analysten, die in dem Verkauf einen notwendigen Schritt sehen, damit Viessmann unter dem Dach eines fünfmal so umsatzstarken Konzerns der drohenden Konkurrenz aus dem Fernen Osten auf dem Zukunftsmarkt Wärmepumpen gewachsen ist. Überzeugt Sie diese Logik nicht auch?

Nach allem, was ich über Viessmann gelesen habe, nein. Das Unternehmen ist für mich bestens gerüstet, um im extrem aussichtsreichen Geschäft mit Wärmepumpen erfolgreich zu sein. Wenn Viessmann das nicht wäre, dann würden die Amerikaner doch keine zwölf Milliarden für das Unternehmen bezahlen. Die Amerikaner geben doch nicht Milliarden für ein Unternehmen aus, das schlecht aufgestellt ist. Sie sehen eine positive Zukunft für das Unternehmen. Deshalb gibt es für mich keinen Grund, weshalb auch Viessmann für sich keine positive Zukunft sehen sollte.

Würde Sie als Unternehmer nicht auch der erforderliche Investitionsbedarf in Milliardenhöhe für neue Wärmepumpenfabriken abschrecken, um mit fernöstlichen vermutlich preiswerteren Anbietern mithalten zu können?

Finanzielle Gründe für den Verkauf an die Amerikaner kann ich zumindest bei Viessmann nicht gelten lassen. Das Unternehmen verfügt über eine Eigenkapitalquote von 52 Prozent, gegenüber durchschnittlich rund 30 Prozent in Deutschland, und macht großartig Gewinn, es sitzt vermutlich auf hohen stillen Reserven und hat moderne leistungsfähige Wärmepumpen im Programm, die sich dank ihrer hohen Heizleistung auch für bestehende Häuser eignen. Das heißt, Viessmann hat sich blendend auf die Zukunft vorbereitet. Einem solchen Unternehmen erfüllen die Banken herzlich gern so gut wie jeden Kreditwunsch. Es gibt für mich also überhaupt keinen Grund, ein solches Unternehmen zu verkaufen.  Es sei, denn die nachgewachsene Generation will sich mit dem Unternehmen nicht in dem erforderlichen Maße identifizieren und keine Verantwortung für die Zukunft übernehmen. Das muss man dann leider akzeptieren.

Ist Viessmann vielleicht doch nicht zu klein, um gegen Konzerne aus Fernost mitzuhalten, die dank ihres Vorsprungs bei den technisch ähnlichen Klimaanlagen die Preise bei den Wärmepumpen in Bälde so drücken könnten, dass Viessmann nicht mithalten kann?

Wer vier Milliarden Euro Umsatz macht und meint, dass sei zu wenig, um im  Geschäft mit Wärmepumpen wettbewerbsfähig zu sein, der kann gleich zumachen und Planwirtschaft fordern, in der ein einziges Unternehmen die Nachfrage befriedigt. Dass ein Unternehmen wie Viessmann überall weltweit erfolgreich sein kann, steht für mich nicht zur Diskussion. Wieso sollten die Amerikaner Viessmann andernfalls für einen solch stolzen Betrag kaufen?

Wie erklären Sie sich dann, dass der junge Viessmann das Unternehmen trotzdem verkaufen verkaufen will?

Das kann ich natürlich nur mutmaßen. Bei mir wird eines meiner Kinder ja auch irgendwann einmal Trigema bekommen, vielleicht werden es auch beide sein. Ich wäre schon ein bisschen enttäuscht, wenn sie das Unternehmen dann sofort verkaufen würden. Ob sie das tun, hängt für mich davon ab, welchen Stellenwert die Firma im Leben meiner Kinder hat. Tatsache ist, dass für beide die Firma schon im Mittelpunkt stand, als sie noch klein waren. Sie saßen bei der einen oder anderen Näherin auf dem Schoß, die Firma war für sie wie ein Zuhause. Darauf sind sie stolz. Ich bin deshalb sicher, dass meine Kinder die Firma nicht einfach so verkaufen würden. Viessmann ist natürlich ein viel größeres Unternehmen als Trigema, mit Geschäftsführern und Auslandsgesellschaften, insofern nicht mit Trigema gleichzusetzen. Offenbar hat Maximilian Viessmann eben nicht die gleiche Einstellung zum Unternehmen wie sein Vater…

… zumal ja andere Familienunternehmen der Heizungsbranche entschieden haben, sich nicht an einen Konzern zu verkaufen, sondern im künftigen Geschäft vor allem mit Wärmepumpen allein mitzumischen.

Deshalb sehe ich keine zwingende Logik im Verkauf von Viessmann. Vaillant aus Remscheid bei Köln investiert fast eine Milliarde in den Ausbau des Wärmepumpengeschäfts, dazu gehört eine riesige Wärmepumpenfabrik in der Slowakei, die gerade den Betrieb aufnahm. Ziel der neuen Megafabrik ist es laut Geschäftsführung, Vaillant zu einem führenden Wärmepumpenanbieter zu machen. Wettbewerber Stiebel Eltron setzt sogar gezielt auf Made in Germany und investiert rund 450 Millionen Euro in den Ausbau der Wärmepumpenproduktion am Stammsitz im niedersächsischen Holzminden. Ich bin gespannt, ob zwei so namhafte und erfolgreiche Familienunternehmen ihre Erfolgsaussichten tatsächlich falsch einschätzen, indem sie selbstständig bleiben. Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen.

Ist der Verkauf an Carrier Global aber vielleicht nicht der entscheidende Türöffner für Viessmann, um mit seinen Wärmepumpen auf dem amerikanischen Markt zu expandieren?

Ich fürchte, das Gegenteil ist der Fall. Schauen Sie sich doch die protektionistische Wirtschaftspolitik der US-Regierung an, nach dem Motto „America First“. Die Heimat von Carrier Global sind die USA, Viessmann wird für die Amerikaner eine Auslandsgesellschaft. Was das heißen kann, wissen die Beschäftigten der Kältesparte des einstigen Münchner Industriegase-Konzerns Linde, die Carrier Global im Oktober 2004 für 325 Millionen Euro übernahm. Ein halbes Jahr später entschieden die Amerikaner, die deutschen Standorte der übernommenen Firma zu schließen, 1163 Stellen zu streichen und die Produktion nach Frankreich und Tschechien zu verlagern. Wieso sollte Carrier Global Ähnliches nicht auch nach dem Auslaufen gewisser Beschäftigungsgarantien bei Viessmann tun?

Das Interview führte Reinhold Böhmer

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*