Eisschrank Europa – Bricht der Golfstrom zusammen?

Niederländische Forscher erwarten einen baldigen Kollaps der Nordatlantik-Zirkulation. Bricht der Golfstrom zusammen, könnte es in Europa stellenweise bis zu 30 Grad kälter werden.

Eismeer bei Grönland Ohne Golfstrom könnten die Temperaturen in Europa erheblich sinken (Bernd Hildebrandt/Pixabay)
Eismeer bei Grönland Ohne Golfstrom könnten die Temperaturen in Europa erheblich sinken (Bernd Hildebrandt/Pixabay)

Der Golfstrom wirkt auf Europa wie eine Warmwasser-Heizung. Ohne ihn hätten wir in Hamburg oder Paris Temperaturen wie in Kanada. Denn diese Städte liegen etwa auf der Höhe des nördlichen Neufundlands oder von Winnipeg. Der Winter dauert dort fünf Monate. Temperaturen unter 25 Grad minus sind keine Seltenheit.

Der Golfstrom ist eine warme Meeresströmung zwischen dem Golf von Mexiko und Skandinavien. Er ist Teil des sogenannten Nordatlantikstroms. Noch bis zur Jahrtausendwende waren die Forscher eher optimistisch: Der Golfstrom schien stabil. Doch zunehmend häufen sich die Warnungen der Klimaforscher. Europas Heizung könnte ausfallen. Vor wenigen Tagen erschien in der Fachzeitschrift Sciences Advances eine Studie von Forschern der Universität Utrecht, der zufolge das komplexe nordatlatische Strömungssystem schon bald kollabieren wird. Wann genau, können die Forscher nicht bestimmen. Der Kollaps könnte schon im kommenden Jahr zustande kommen. Oder erst im kommenden Jahrhundert.

Zu süß

Sorgen macht den Wissenschaftlern die Veränderung der sogenannten Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (Atlantic meridional overturning circulation, kurz AMOC). Das Strömungssystem im Nordatlantik unfasst nicht nur den horitzentalen Wassertransport an der Oberfläche des Ozeans von Süd nach Nord. Umgekehrt fließt kaltes Wasser am Meeresboden vom Nordatlantik in Richtung Antarktis. Dazu muss erkaltetes Salzwasser im Nordatlantik absinken.

Dieser Prozess ist aber gestört, weil infolge des Klimawandels massenhaft Süßwasser aus schmelzenden Grönland-Gletschern in den Nordatlantik strömt. Zusätzlich bringen Regen und Schnee Süßwasser ins Meer. Süßwasser ist aber leichter als Salzwasser. Hinzu kommt die Erwärmung des Oberflächenwassers. Warmes Wasser ist weniger schwer als kaltes. Beide Effekte addiert verhindern das Absinken des Wassers. Die Umwälzströmung AMOC kommt nicht mehr zustande.

Kipppunkt kommt näher

Die Wissenschaftler der Universität Utrecht hatten die Strömungsverläufe in Computermodellen nachgebildet. Danach nahm die Umwälzströmung bei simuliertem, aber realitätsgerechtem Süßwasserzufluss zunehmend ab und stagnierte schließlich. Der Hauptautor der Studie, René van Westen, ist sich nach den Ergebnissen sicher, “dass wir uns auf den Kipppunkt des Klimawandels zubewegen.” Vor etwa 12 000 Jahren hatte schon einmal eine starke Gletscherschmelze die Umwälzströmung zum Stillstand gebracht.

Das Team um van Westen steht mit den Untersuchungsergebnissen keineswegs isoliert da. Vor drei Jahren publizierte das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung eine Studie, die belegte, dass die Wirkung der Atlantische Umswälzzirkulation seit 1950 um 15 Prozent zurück gegangen ist. Ein Jahr später veröffentlichten zwei dänische Forscher eine Untersuchung, der zufolge AMOC schon im Jahr 2025 zusammenbrechen könnte, spätestens aber bis 2095 kollabieren wird. Tröstlich: Möglicherweise, so die Dänen, breche AMOC nicht als Gesamtsystem zusammen, sondern nur teilweise.

Verheerende Folgen

Die Folgen eines AMOC-Kollapses wären massiv. In Europa könnten die Temperaturen innerhalb eines Jahrhunderts stellenweise um bis zu 30 Grad Celsius sinken. Die Niederschläge nähmen erheblich ab. Weder Flora, noch Fauna, noch die politischen Systeme hätten genügend Zeit zur Anpassung. In der südlichen Hemisphäre würde es deutlich heißer werden. Im Amazonasbecken könnten sich dadurch Regen- und Trockenzeiten umkehren. An der Ostküste der USA würde der Wasserspiegel um einen Meter ansteigen. „Was uns überraschte, war die Rapidität des Kippens“, sagt van Westen. „Das hätte verheerende Folgen.“

Mehr: Universiteit Utrecht; Freitag; Focus

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