Zunehmend setzen die Bierbrauer auf Design-Pullen. Die normierte Euroflasche wird seltener. Das Ergebnis ist ein umweltschädlicher Flaschen-Tourismus. So manche Mehrweg-Buddel endet deshalb als Einwegflasche.
Als sie eingeführt wurde, Mitte der Sechzigerjahre, konnte sich kaum jemand vorstellen, dass sie ein großer Erfolg würde. Das nüchterne Design, der ungewohnte Kronenkorken – alles sprach gegen eine Erfolgsgeschichte der Euroflasche. Doch die Brauereien erkannten früh die Vorteile der Normflasche. Schon allein die Gewichtseinsparung betrug, auch dank der gleichzeitig eingeführten Kunststoffkästen, fast ein Drittel. Die Euroflasche hielt bis in die Neunzigerjahre hinein unangefochten die Vorherrschaft. Nur wenige Brauereien wagten es, aus der Eurofront auszubrechen und Extraformate anzubieten. Die Vorteile der Einheitsflasche waren zu deutlich. Eine Euroflasche von der Waterkant konnte selbst im tiefsten Bayern ohne Sortierung und Rücktransport wieder abgefüllt und verkauft werden.
Vorbei, vergessen! Zunehmend wollen die Bierkonzerne ihr Markenprofil durch abweichende Flaschenformen schärfen. Das Ergebnis: Über hundertzwanzig Flaschentypen zirkulieren heute durch Deutschland. Mal sind sie braun, mal grün oder weiß, mal bis zu einem Liter groß oder bis zu einem Viertelliter klein. Andere weisen in Glas gegossene Profilprägungen auf.
Rund zwei Milliarden Flaschen zirkulieren zwischen Flensburg und Garmisch. Das allerdings mit abnehmender Umlaufhäufigkeit. In den goldenen Euroflaschen-Zeiten waren bis zu siebzig Umläufe durchaus üblich, bevor die Flasche zu Bruch ging oder wegen Schäbigkeit aus dem Verkehr gezogen wurde. Schon im Jahr 2010 ging der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Glasindustrie, Johann Overath, lediglich von 25 bis 30 Umläufen aus. Doch damals lag der Anteil an Individualflaschen noch knapp unter einem Drittel. Heute liegt er bei der Hälfte. Vor allem Flaschen mit traditionellen Bügelverschluss finden oft ein schnelles Ende. So manche Flasche zirkuliert nur viermal. Und nur zu oft enden Mehrwergflaschen als Einwegflaschen.
Fremdflaschen reisen durch die Republik
Je nach Brauerei sind 10 bis 30 Prozent der angelieferten Flaschen unbrauchbar. Die Quote der Fremdflaschen, die als Leergut in den Brauereien ankommen, steigt von Jahr zu Jahr. Diese Flaschen müssen dann aufwendig aussortiert und, je nach Herkunft, bis zu 700 Kilometer oder mehr auf die Heimreise geschickt werden. Mit Zunahme des Anteils der Individualflaschen kommt der Flaschentourismus mehr und mehr auf Touren. Im Durchschnitt reist eine Flasche – Individualflaschen eingeschlossen – heute 437 Kilometer. Individualflaschen reisen 537 Kilometer.
Die Marketing-Spielchen der Brauereien um die Individualflasche gefährden zunehmend den ökologischen Vorsprung der Mehrwegflasche. Die Einwegverpackung hat ohnehin mehr ökologische Vorteile als vielfach bekannt – besonders beim Transport. So wiegt eine Halbliterflasche aus Glas etwa 380 Gramm, eine Alubierdose keine 20 Gramm. Zusätzlich lassen sich Getränkedosen besser stapeln. Ein 40-Tonner-Laster kann 42 336 Halbliter-Alu-Dosen befördern, fast doppelt so viel wie Halbliterflaschen. Der Rücktransport entfällt. Hinzu kommt der hohe Recycling-Anteil der Dose von über 95 Prozent, der den ökologischen Fußabdruck verkleinert.
Noch ist die Mehrwegflasche deutlich umweltfreundlicher. Untersuchungen des Umweltinstituts Ifeu ergaben, dass bereits bei zehn Umläufen die Mehrwegflasche ökologisch im Vorteil ist. Doch der Vorteil wird kleiner. Die Zahl der Umläufe hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren immerhin gedrittelt. Keine Frage: Es wird eng für die Mehrwegflasche.
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