Seine Verfechter sind überzeugt: Es bedarf nicht immer materieller Anreize, teurer Aufklärungskampagnen oder Verbote. Mitunter genügen kleine Anstöße, englisch Nudging genannt, um Menschen zu umweltfreundlichem Verhalten zu animieren.
Zu Beginn der Dusche strahlen einen fünf muntere stilisierte Eisbären auf dem Display der Handbrause an. Perlt das Wasser länger über den Körper, verschwindet ein Tier nach dem anderen. Die unterschwellige Botschaft: Je mehr warmes Nass du verbrauchst, um so mehr setzt du die bedrohten Eisbären dem Klimawandel aus. Also mach flott! Das ist ein Beispiel für Green Nudging.
Wirtschaftsnobelpreis für die Nudging-Idee
Die Erfinder der aufklärerischen Handbrause (siehe Video unten) sind überzeugt, dass die dezente Mahnung wirkt. Die vier Gründer der Amphiro AG, einem Spin-off aus der Eidgenössischen Technischen Universität (ETH) Zürich, berufen sich dabei auf Studien, die sie beauftragt haben. Demnach verbrauchen Menschen, die beim Duschen auf die Eisbärsymbole achten, 22 Prozent weniger Heizenergie.
Inzwischen findet die Idee des Green Nudging immer mehr Förderer – bis hin ins Berliner Bundesklimaschutzministerium. Das Umweltbundesamt (UBA) propagiert es als einen Ansatz, den jährlichen CO2-Pro-Kopf-Ausstoß der Bundesbürger von etwa elf auf eine Tonne zu senken. Neben anderen auf das Verhalten zielender Instrumenten wie zum Beispiel der gemeinsamen Nutzung von Produkten (Sharing Economy) oder dem Mieten statt Kaufen.
Gutes Tun für Klima und Umwelt
Entwickelt haben der US-Verhaltensökonom und Wirtschafts-Nobelpreisträger Richard Thaler und der US-Juraprofessor Cass Sunstein das Konzept. Ihre Methode basiert darauf, die Entscheidungsumgebung eines Menschen gezielt so zu gestalten, das sie sein Verhalten gezielt und vorhersagbar im gewünschten Sinne lenkt. Schlichter gesagt: Kleine Anreize sollen ihn beim Green Nudging anstupsen, etwas Gutes für Klima und Umwelt zu tun.
Erste Erfahrungen bestätigen die Wirksamkeit der Idee. Seit beispielsweise das Bremerhavener Fischfeinkost-Unternehmen Deutsche See per rotem Smiley mit herabhängenden Munkwinkeln gut sichtbar signalisiert, dass die Temperatur in seinen Kühlhäusern schon wieder zu hoch ist, halten die Mitarbeiter die Türen bewusster geschlossen.
Potential für Verhaltensänderungen aktiv nutzen
Ein anderes Beispiel ist ein Unternehmen für Design, Architektur und Messebau. Es rückte in seinem Buchungssystem für Dienstfahrzeuge optisch bewusst die Verkehrsmittel mit dem geringsten CO2-Ausstoß nach oben. Seither ordern die Mitarbeiter viel öfter E-Fahrräder und Elektroautos statt Benzinfahrzeuge. Kleiner Stups – große Wirkung.
Richtige Einstellung der Heizung senkt Verbrauch um ein Fünftel
Kein Experte glaubt indes, dass Green Nudging allein die Welt retten kann. Doch einfach ignorieren sollte man die Idee auch nicht. Findet jedenfalls die Psychologin Elisabeth Dütschke vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). „Wir sollten uns das Potential, das in solchen Anreizen liegt, nicht entgehen lassen“, meint sie ganz pragmatisch.
Ganz so klein sind die Potentiale laut dem Kölner Ökonomieprofessor Axel Ockenfels gar nicht. Sein Spezialgebiet ist die Spieltheorie. Studien zeigten, dass die Hälfte aller Heizungen in deutschen Wohnstuben und Geschäftsräumen falsch eingestellt sind. Könnte es gelingen, die Vermieter zu stimulieren, die Heizungen warten zu lassen, sänke der Verbrauch schlagartig um ein Fünftel, so Ockenfels.
Mehr: t-online klimaschutz UBA die-debatte.org
Von Dieter Dürand
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