Helfen die Stinkschiffe dem Klima?

Ist es wahr? Angeblich sollen die Emissionen der viel kritisierten Stinkschiffe die Erwärmung der Ozeane durch den Ausstoß von Schwefeloxiden verlangsamen.

Kreuzfahrtschiff vor Mykonos Retten die Emissionen der Stinkschiffe das Klima? (Annemarie Schwellenbach/Pixelio.de)
Kreuzfahrtschiff vor Mykonos Retten die Emissionen der Stinkschiffe das Klima? (Annemarie Schwellenbach/Pixelio.de)

Hilft der viel kritisierte Ausstoss der Seeschiffe mit giftigen Schwefeloxiden, Stickstoffoxiden, mit Ruß und Feinstaub bei der Rettung des Klimas? Oder anders herum gefragt: Hat die seit drei Jahren vorgeschriebene Reinigung des Treibstoffes für Seeschiffe dazu beigetragen, dass die Ozeane sich schneller erwärmen? Wäre es nicht besser gewesen, wenn die Stinkschiffe weiterhin Stinkschiffe geblieben wären?

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Mit diesen Fragen befasst sich die Fachzeitschrift Science in einer kritischen Übersicht von Forschungsartikel zu den Auswirkungen der strengeren Emissionsvorschriften seit Anfang 2020. Das Marpol-Abkommen unter Aufsicht der Internationalen Seeschiffahrts-Organisation IMO reduziert nicht nur die Emissionen von Feinstaub. Sie wirkt sich aber möglicherweise auch positiv auf die Bildung und die Reflexionsstärke von Wolken in niedriger Höhe aus. Die IMO ist eine Organsiation der UNO mit Sitz in London.

Wolken als Sonnenschutz

Der von Wissenschaftlern vermutete Mechanismus funktioniert so: Wird der Kraftstoff im Schiffsmotor verbrannt, entstehen Schwefeloxide, die in der Atmosphäre als feine Teilchen schweben. Diese Partikel fungieren als Keime für die Ablagerung von Wasserdampf. Sie fördern damit die Bildung von Wolken mit vielen kleinen Tröpchen. Diese Wolken reflektieren die Sonnenstrahlung besonders stark und halten damit das Klima kühl.

Das Thema hat in diesem Jahr die Öffentlichkeit und Wissenschaftsszene in besonderem Maße interessiert. Denn viele Meere rund um den Globus durchlitten einen ungewöhnlichen Hitzestress. Das gilt vor allem für den Atlantik zwischen Nordamerika und Europa. Dort überstiegen die Temperaturen an der Wasseroberfläche den bisherigen Rekord um fast ein Grad Celsius. Hauptursache für diesen Anstieg ist nach Meinung der meisten Wissenschaftler die menschengemachte Klima-Erwärmung.

Renommierte Forscher

Doch schließen Klimatologen nicht aus, dass auch die strengeren Abgasvorschriften seit 2020 einen – wenn auch geringen – Beitrag zur Erwärung des Meeres leisten. In einer Erklärung betonte das britische National Centre for Atmospheric Science, dass die hohen Temperaturen in den Meeren auch mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zusammenhängen könnten. Die neuen Vorschriften könnten durchaus zur Erwärmung beitragen, „wenn auch das Ausmaß des Zusammenhangs sehr ungewiss ist.“

Auch die Fachzeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics veröffentlichte eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen den neuen Emissionsregeln für die Schifffahrt und der Meereserwärmung nahelegt. In der Studie geht der Klimatologe Michael Diamond von der Florida State University davon aus, dass die neuen IMO-Bestimmungen den Oberflächen der Ozeane pro Quadratmeter etwa 0,1 Watt Energie zugeführt haben. Das ist im Vergleich zur zugeführten Energie seit Beginn der Industriealisierung von 2,7 Watt pro Quadratmeter nicht wenig.

Pessimistische Hypothesen

Der französische Klimatologe Olivier Boucher vom Forschungszentrum CNRS sieht die Werte von Michael Diamond kritisch. Sie seien recht hoch angesetzt. Allerdings ist auch Boucher der Meinung, dass die Beobachtungen hinsichtlich der Auswirkungen der neuen Umweltregeln grundsätzlich realistisch seien. Es sei allerdings schwierig, das Ausmaß genau zu bestimmen. Hinzu komme die kurze Beobachtungszeit von nur drei Jahren. Erst weitere Beobachtungen über längere Zeiträume erlaubten eine genauere Bewertung der Strahlungseffekte durch die Veränderungen beim Schiffstreibstoff.

Wie dem auch sei: Fachleute kritisieren die IMO-Treibstoffreform. Die Verordnung sei schlecht gemacht. Sie lasse den Reedern die Möglichkeit, Treibstoffe zu verwenden, deren Ruß-Ausstoss bis zu 85 Prozent höher liege als zuvor. Nicht nur die Bundesregierung fordert daher, die Bestimmungen zu überarbeiten.

Mehr: Le Monde

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