Klimawandel: Anbau von Sojabohnen in Deutschland explodiert

Der Klimawandel zwingt die Bauern zur Anpassung. Sojabohnen gedeihen unter warmen Bedingungen gut. Gleichzeitig versorgen sich die Pflanzen selbst mit Stickstoff. Können wir künftig auf Lieferungen aus Brasilien und den USA verzichten?

Ein Feld mit Sojabohnen in Indiana kurz vor der Ernte Die heißen Sommer des mittelern Westens begünstigen den Anbau 
(Foto: Huw Williams/Huwmanbeing)
Ein Feld mit Sojabohnen in Indiana kurz vor der Ernte Heiße Sommer begünstigen den Anbau jetzt auch in Deutschland
(Foto: Huw Williams/Huwmanbeing)

Heiße, trockene Sommer, doch auch Frühjahrsfröste. Für viele herkömmliche Agrarpflanzen ist das neue Klima alles andere als bekömmlich. Bauern in einst kühlen Ländern wie Deutschland, Polen oder Dänemark müssen sich der neuen Klimarealität anpassen. Langfristig werden viele Flächen im nördlichen Europa auf den Anbau von Sojabohnen umgestellt. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin.

Bislang waren Regionen mit heißen, trockenen Sommern in Südamerika, im mittleren Westen, den Südstaaten der USA oder in Südrussland die bevorzugten Soja-Anbauzonen. Doch auch in den wärmeren Gegenden Frankreichs, Rumäniens oder Österreichs gedeiht die Ölfrucht seit Langem gut. In Deutschland beschränkte sich der Anbau weitgehend auf milde Gegenden in Süddeutschland. Jetzt erobert der Soja-Anbau in einem wahren Siegeszug die Äcker der einst kühlen Anbauzonen. Die schnelle Umstellung ist vergleichbar mit der auf Mais in den Sechziger- und Siebzigerjahren.

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Robuster als Mais oder Raps

Bislang waren die kühlen Temperatur das größte Hindernis für die Verbreitung des Soja-Anbaus in Deutschland. Soja braucht enorme Wärmemengen. Fehlen sie, besteht die Gefahr, mit der Ernte in den feuchten Herbst zu geraten. Mit neuen Sorten und neuem Klima wird Soja für Bauern zu einer wirtschaftliche Alternative zu Mais, Raps oder Zuckerrüben. Denn abgesehen vom Wärmebedarf während der Wachstumszeit sind Sojapflanzen recht robust. Schäden durch Maifröste sind selten. Gewöhnlich verträgt Soja mehr Frost als Mais, Wein oder Zuckerrüben. Selbst Winterraps ist empfindlicher. Auch die Resilienz gegenüber Hagelschlag ist dank des Verzweigungspotentials erstaunlich.

Keine Verseuchung durch Stickstoff-Düngung

„Eine Ausweitung des Sojaanbaus in bislang kühleren Regionen erweitert die Möglichkeiten für die Landwirtinnen und Landwirte, ihre Fruchtfolgen diverser zu gestalten und damit das Risiko für wetterbedingte Ertragseinbußen zu mildern und die Artenvielfalt zu erhöhen“, erklärt dazu der Leiter der ZALF-Studie, Claas Nendel. Zusätzliches Plus: Die Sojapflanze kann als Hülsenfrucht Stickstoff direkt aus der Luft extrahieren. Auf die umstrittene Stickstoff-Düngung können die Bauern verzichten. Damit entfällt auch das Einsickern überschüssigen Düngers in das Grundwasser. Nachteil des Soja-Anbaus ist allerdings der immense Wasserbedarf zu Beginn der Saison.

Liebling der Öko-Bauern

Deutschlands Bauern haben die Chancen des Klimawandels für den Soja-Anbau begriffen. So wurden im vergangenen Jahr 51 400 Hektar für den Soja-Anbau genutzt. Im Jahr 2016 waren es nur 15 800 Hektar. Anders als in den USA oder in Südamerika ist der Soja-Anbau zwischen Rhein und Oder vorwiegend umweltfreundlich. Die Kultivierung genveränderter Soja-Sorten verhindert eine EU-Verordnung. Und in Deutschland muss – anders als beispielsweise in Brasilien – kein Wald dem Soja-Anbau weichen. Mehr noch: 27 Prozent der deutschen Soja-Anbauflächen sind Öko-Äcker. Das ist deutlich mehr als bei anderen Feldfrüchten. Zum Vergleich: Nur acht Prozent der Getreideflächen werden ökologisch bewirtschaftet. Bei Grünpflanzen sind sogar nur sechs Prozent.

Marktkenner erwarten für die kommenden Jahre eine Verdoppelung der deutschen Anbauflächen. Von einer Soja-Autonomie ist Deutschland allerdings auch dann noch weit entfernt. Die deutsche Soja-Ernte erbrachte 2022 geschätzt 136 000 Tonnen – immerhin 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch bezogen auf die Soja-Importe nach Deutschland von 3,9 Millionen Tonnen ist das ein Klacks.

Mehr: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung

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